Journal :: 17.06.

Nun ist es ja nicht so, dass verpasste Mahlzeiten mir unzuträglich wären. Im Gegenteil wäre es vermutlich ganz gut für meine optische Performance, wenn ich viel mehr Mahlzeiten ausließe, also so ungefähr jede zweite, aber schön ist das nicht, in einer fremden Stadt im Hotel, und dann noch nicht einmal etwas zu essen.

Aber beginnen wir von vorn:

Morgens bin ich so spät dran wie immer. Weil ich heute auf Leute treffe, reiße ich hintereinander alles Mögliche aus dem Kleiderschrank, verwerfe dies als allzu brav, jenes als allzu ausgeschnitten, und stürze schließlich in einem angemessen unaufälligen Kostüm los. Ungefrühstückt, wie sich versteht. Im Büro gibt es auch nichts zu essen, und bevor man angemessener Weise Mittag essen kann, kommt das Taxi nach Tegel.

In Tegel angekommen bleibt mir keine Zeit mehr für etwas Richtiges. Ich esse im Gehen eine Putenbrustsemmel, stopfe eine Brezel in meine Handtasche für später und fliege los. Bei Lufthansa gibt es ja leider innerdeutsch bloß noch Getränke.

Als ich ankomme, ist der Lunch gelaufen. Ich bespreche in aller Schnelle, wie die Technik funktioniert, dann spreche ich vierzig Minuten und dann laufe ich wieder los. Für das abendliche Dinner habe ich keine Zeit mehr. Ich muss noch weiter. Am Flughafen München esse ich im Vorbeilaufen zwischen Terminal 1 und 2 ein kleines, mickeriges Chicken Wrap, das genauso mäßig schmeckt, wie ich es erwarte. Für eine ausführlichere Mahlzeit … Sie haben es erraten.

Als ich in Dortmund ankomme, ist es verdammt spät. Um acht hätte ich mit anderen Leuten etwas essen können, aber acht war es vor drei Stunden. Nun, sagt mir die Dame an der Hotelrezeption, sei die Küche schon dicht. Traurig stehe ich vor der beleuchteten Vitrine, in der eine Speisekarte mit Mahlzeiten lockt, die ich nun nicht mehr bekomme. Die Pfifferlinge hätte ich vielleicht genommen. Möglicherweise auch einfach ein Steak.

In der Minibar ist das einzig Essbare ein Tütchen Erdnüsse von ültje. Ich mag keine Erdnüsse, deswegen schließe ich die Tür wieder und gehe zu Bett. Arbeiten könnte ich jetzt noch ein bißchen, ich habe circa einen Koffer voll Arbeit dabei, aber statt dessen lege ich mich aufs Bett, betaste meine Beckenknochen und versuche mir die fehlende Mahlzeit in Anbetracht der segensreichen Folgen einer deutlich verringerten Lebensmittelzufuhr schönzureden. Der Versuch misslingt. Missgelaunt und mit knurrendem Magen male ich mir volle Teller aus, belege das Phantasieporzellan mit gebratenem Lamm, Rosmarinkartoffeln und Rotweinjus, lege Rosetten von Trüffelbutter daneben, lasse Schalen mit Erdbeeren und Zabaione folgen, bestreue diese mit gehackten Pistazien, hebe Zitronenzesten unter die hellgrünen Splitter, zünde Kerzen an und ziehe einen Wein auf, den es einmal im Weinstein am Helmholtzplatz gab, und dessen Namen ich leider nicht mehr weiß.

Am Ende aber bleibt mir nichts als noch zwei Zigaretten. Ein Glas Wasser und eine Tüte Pfefferminzbonbons und die Hoffnung auf ein gutes Frühstück morgen früh.

11 Gedanken zu „Journal :: 17.06.

  1. REPLY:
    Vielleicht sollten Sie noch etwas trinken gehen. Irgendwann merkt man den Hunger dann nicht mehr. Wenigstens ist das bei mir so. Allerdings ließe sich dann das Frühstück wohl nicht mehr so genießen. Es ist aber auch ein Kreuz mit dem leiblichen Dasein.

  2. nicht dass ich ihnen böses wünsche, aber die erfreulichen ergüsse, die kunstvoll ausgeschmückten essenfantastereien gelingen wohl besser mit leerem magen. und wir sind die nutzniesserinnen dieses ihres leidens.

  3. REPLY:
    Knapp. Und die nächste gute Mahlzeit erst wieder nach meiner Heimkehr heute abend in Berlin, im Sasaya am Helmholtzplatz mit der C. und dem J. Ein Chirashi-Don und eine Spicy Tuna Inside Out.

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