„Bleib mir weg mit positivem Denken.“, ächze ich und versuche, den Kopf möglichst wenig zu bewegen. Ich bin Freitag mit dem Rad gestürzt und seither dreht sich mein Gehirn deutlich langsamer als mein Schädel. „Das Wetter ist mies, ich habe zu viel zu tun, nichts mehr zu lesen, und wo das Positive bleibt – das wüsste ich auch gern.“, raunze ich. Dann lege ich auf und überlege. Viel gibt es da gerade nicht. Möglicherweise aber immerhin The Yardley English Lavender Shower Cream, die zuerst riecht wie das Gästebad alter Damen (wegen der von diesen sehr geschätzten Handseifen dieses Hauses), und dann die ganze Duschkabine mit einem zarten, quasi halbtransparenten Lavendelduft füllt, der nichts Betäubendes an sich hat, nichts von dem Über und Über provenzalischer Felder, sondern an einen klaren, gläsernen englischen Morgen erinnert: Gefüllte Rosen, Rittersporn und das sanfte, lila Zittern unter Weißdorn und Clematis, wenn Bienen und Zitronenfalter früh am Tag in Blüten rasten.
Etwas später am Tag die saukomischen Kommentare auf faz.net. Tatsächlich amüsieren die Kommentatoren dieser in gedruckter Fassung eher mittelmäßig erheiternden großen deutschen Tageszeitung mich zu eigentlich jedem Anlass dank einer unwiderstehlichen Mischung krauser Vorurteile gegen alles und jeden, bodenloser Selbstgerechtigkeit und dem festen Glauben an sehr, sehr langweilige Welt- und Wertvorstellungen, die die meist zumindest latent aggressiven Kommentatoren schon deswegen für unanfechtbar halten, weil sie noch nie auf die Idee gekommen sind, die Welt könne von anderer Warte aus anders aussehen. Insbesondere zu Jugendlichen mit Migrationshintergrund, den 68ern und Kriminalität (gern in Zusammenhang mit vorgenannten Obsessionen) übertreffen sich die Leser dieses schätzenswerten Organs regelmäßig selbst. Leider denke ich nie daran, die besten Kommentare zu sammeln.
Durchaus friedlicher, wenn auch nicht temperamentlos beschreibt Kinta Beevor (Mutter des nicht unumstrittenen Historikers Antony Beevor) ihre Kindheit (A Tuscan Childhood) in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts als Abkömmling der anglo-florentinischen Kolonie. Viele Namen tauchen auf, glanzvoll bis heute, stets wölbt sich der sorglos-südliche Himmel über die grünen Hügel der Toskana, und doch sind es nicht die Actons, Berensons oder Duff-Gordons, nicht ihre italienischen Burgen und Villen, die das bisweilen fast kunstlose Buch erleuchten, denn mehr noch als der Duft der frischen Tortellini, mehr noch als Polenta mit Zicklein und Kastanienkuchen, farbigen Schilderungen der Köchinnen, Gärtner und Steinmetze, des untergegangenen, restlos verschlungenen englischen Florenz, ach: Mehr noch als all das besticht der makellose Glanz einer Zeit vor unserer Zeit, die ich mir – wider allen besseren Wissens – nicht als besser, nicht als angenehmer, aber als harmonischer, in sich ruhender, runder und lächelnder vorstelle als all das, was mich umgibt, um mich täglich zu leeren.
Von Yardley English Lavender nutzt meine Ma (70+) seit ich denken kann das (den?) Puder. Hier in Berlin obliegt es mir regelmäßig für Nachschub zu sorgen, da in der westdeutschen Provinz eigentlich nur noch die Seife vorgehalten wird. Diese widerum beduftet ausschließlich meinen Bettwäsche- und Handtuchschrank.
Kinta Beevor steht jetzt auf der Leseliste für diesen Winter. Gute Besserung!
Was machen Sie denn mit dem Rad? Ich hoffe, es ist alles beieinandergeblieben, und Sie können die Gedanken an wilde Gärten genießen. Gute Besserung!
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Danke! Heute geht es schon halbwegs wieder.
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Immerhin nur eine leichte Gehirnerschütterung, nichts Wildes.