Drei Dimensionen

„Maximal 10%!“, verkündet mir die sonderbar verknautschte Ärztin und meint damit mein räumliches Sehen. Ich sollte das mal überprüfen lassen. Ich nicke.

Ob ich Auto fahre, werde ich gefragt, und verneine energisch. Ob ich werfen und fangen könnte, will man wissen und schreibt irgendetwas in eine Akte, in der jetzt dokumentiert steht, dass man mir auch besser weder Autos, Gewehre, noch Bälle in die Hand gibt, und ich sitze mit baumelnden Beinen auf einer Liege und schaue versonnen aus dem Fenster. Es liegt also nicht an mir. Oder besser. Es liegt schon an mir, aber ich kann daran nichts ändern, und so spreche ich mich frei von allen Pflichten bezüglich der Bewegung meiner selbst und anderer Körper im Raum.

Schön, denke ich, als ich die Tür von außen schließe. Hier besteht also keinerlei Handlungsbedarf, ziehe ich einen dicken, schwarzen Strich unter den motorisierten Lebensbereich, und tatsächlich fühlt sich das ganz gut an: Für irgendetwas nicht verantwortlich zu sein, und frei von jeder Schuld. Schicksal hat was für sich, laufe ich den langen Gang abwärts zu den Fahrstühlen, und wünsche mir für einen kurzen, winzigen, kaum spürbaren Moment, in allen Dingen wäre es ein bißchen mehr so und nicht anders, und verwerfe dann doch den Gedanken sofort, aber vielleicht auch: Zu Unrecht.

5 Gedanken zu „Drei Dimensionen

  1. Ach was, lassen Sie sich mal nicht verunsichern. Sie fallen doch auch nicht dauernd von der Bordsteinkante. Ich habe auch kein räumliches Sehen, und einige andere Leute, die ich kenne, auch nicht. Autofahren ist kein Problem – das macht sich eher beim Ein- und Ausparken bemerkbar. Nicht, weil man dauernd an anderen Autos vorbeischrabbt, sondern weil man mitunter einmal mehr hin- und herrangiert (um dann beim Aussteigen festzustellen, dass die Parklücke viel größer ist als gedacht).

    Vieles ist Übungssache, vieles lässt sich mit Logik ausgleichen. Gut Federballspielen werden wir wahrscheinlich nie, aber hey, es gibt Schlimmeres. Ich merke mein nicht vorhandenes räumliches Sehen vor allem dann, wenn ich müde bin. Wenn ich eilig in meiner Wohnung um die Ecken fege, knalle ich auch ganz gern einmal mit dem Handrücken gegen den Türrahmen. Und wenn ich Ihr Glas nachfüllen soll, wird es mir immer lieber sein, wenn Sie es mir nicht hinhalten, sondern es auf den Tisch stellen. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass mir irgendetwas fehlt. 3-D-Kino wird eh überbewertet. 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Sie möchten einen Kommentar hinterlassen, wissen aber nicht, was sie schreiben sollen? Dann nutzen Sie den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken