Nehmen wir beispielsweise meine Freundin C. Die C. ist sehr klug, sehr schnell, sehr charmant, wenn sie möchte, und zu alledem sieht sie auch noch gut aus. Meine Freundin C. ist ziemlich super. Derzeit wohnt sie in Brüssel, arbeitet wie ein Pferd 15 Stunden am Tag, aber ob und was sie davon haben wird, ist noch völlig offen. Die C. lebt nicht schlecht, aber verdient jeden Euro, den sie ausgibt, selbst.
Auf der anderen Seite der Anstrengungsskala sitzt meine Freundin A. in einem sehr bequemen Feuteuil. Morgen früh wird sie ungefähr drei Stunden länger schlafen als die C., dann wird sie frühstücken, und während die Putzfrau kommt, geht sie spazieren. Oder nein, morgen ist Mittwoch. Am Mittwoch hat die A. Gesangstunden. Das alles finanziert ihr Mann. Weil die A. ihn sonst nicht geheiratet hätte, gibt es keinen Ehevertrag.
Natürlich ist das alles von schreiender Ungerechtigkeit. Die C. ist nicht nur viel klüger als die A., sie sieht auch noch besser aus (finde ich), und doch ist keineswegs absehbar, dass sich die Verhältnisse eines Tages verkehren. Ganz im Gegenteil: Es spricht Einiges dafür, dass der Schreibtisch der C. sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter füllen wird. Dabei werden die Belange, um die es geht, vermutlich immer wichtiger. Die A. aber wird während dessen zu Hause herumsitzen und das Haus einrichten, einkaufen, sich mit Freundinnen im Café treffen, und ansonsten tut sie vermutlich auch künftig wenig. Befragt, ob sie sich nicht langweilt, antwortet sie wohl auch künftig mit einem erstaunten „nein“.
Mir persönlich gefällt das Lebensmodell der A. eigentlich ganz gut. Ich würde sehr gern morgen ausschlafen. Ich sitze auch gern im Café. Gleichwohl arbeite ich ähnlich viel wie die C., und bin vor einer halben Stunde nicht aus einer Bar, sondern aus dem Büro gekommen. Die Frage, die sich mir nun stellt, ist angesichts dessen vermutlich rein rhetorisch, aber nicht weniger drängend: Wie wird man jemand anders? Und wenn dies – erwartungsgemäß – nicht möglich sein sollte: Auf welchen Umstand geht es zurück, dass die Umstände aussehen, wie sie aussehen, und ist da wirklich nichts zu machen?
Um über diese Fragen ernsthaft nachzudenken, habe ich aber keine Zeit.
Ich glaube nicht, dass er möglich ist, sich zu ändern. Aber ist er nicht wichtiger , man selbst zu sein?
Je älter man wird, desto klarer wird Einem, dass so gut wie alles auf dieser Welt ungerecht oder verkehrt verteilt ist.
Und ab einem gewissen Punkt, läßt man sich darüber keine grauen Haare mehr wachsen.
(Übrigens, die kommen von selbst.)
es ist eine momentaufnahme, die geschichte ist noch nicht zu ende und alles kann passieren, für die A. sowie für die C.
in meinem leben hab ich menschen gesehen mit denen ich gern getauscht hätte, jahre später war ich froh das sowas nicht geht weil deren schicksal hätt ich nicht ertragen können!
Ich habe manchmal das Gefühl, man selbst sein, das geht gar nicht. Irgendwie ein Mythos, von dem jeder weiß und jeder will, und doch es keiner ist, der wirklich darum weiß.
Nein, verehrte Frau Modeste, es ist nicht möglich, anders zu sein. Es ist für SIE nicht möglich.
Das offenbart allein schon die Frage an die A., ob sie sich nicht langweile. Nein, die A. langweilt sich nicht. Aber SIE, Frau Modeste, SIE würden sich langweilen. Auf die Dauer. Und deswegen stellen sie die Frage an die A. (Egal, ob die Frage wirklich gefragt wurde oder nur in Gedanken).
Es ist IHRE Frage. Und damit auch der Grund, warum sie nicht das Leben der A. leben.
Natürlich finden sie es attraktiv, das „Leben der Anderen“, in diesem Fall der A. Aber nur einen Ausschnitt davon. Und nur zu bestimmten Zeiten – dann wenn ihnen ein Ausschnitt ihres tatsächlichen Lebens zu viel wird. Dann wird das Leben der A. in ein rosarotes Licht getaucht.
Nein, Madame Modeste, in diesem Punkt, fürchte ich, täuschen Sie sich: „Mir persönlich gefällt das Lebensmodell der A. eigentlich ganz gut. “ Das stimmt nicht. Wäre es so, hätten sie das Lebensmodell inzwischen. Vielleicht nicht *genau* so, wie die A. Aber etwas in diese Richtung.
Nein, Frau Modeste: Ich kenne Sie. Nein, Quatsch: Ich kenne sie NICHT. Aber ich kenne genug von Ihren Blogeinträgen, um sagen zu können: Dieses Leben ist nichts für sie. Und ihr Un- und Randbewusstes weiß das auch. Und hat daher ihr Lebensschiff zuverlässig in andere Fahrwasser gesteuert.
Nein, das Leben der A., „das Leben der (dieser konkreten) A.nderen“ ist wirklich nichts für sie.
Es besteht nicht nur aus Spazierengehen, im Cafe sitzen und lange schlafen. Es besteht z.B. auch aus dem Gatten, der dieses finanziert. Würden Sie das wollen? Könnten sie das? Wie lange würden sie diese Form der Zweisamkeit aushalten, ohne sich in SEINER Schuld zu fühlen. Irgendwann würden sie IHM dafür böse werden, dass sie sich in seiner Schuld fühlen. Auch dann, wenn er ein wirklich feiner und großzügiger Charakter wäre.
Sehen Sie: DAS ist der Unterschied zwischen der A. und Ihnen. Ich würde sagen: Seihen sie froh darum.
Sie haben keine Zeit? Ich leihe ihnen gerne etwas von meiner. Also, ich habe da einige Umstände, mit denen ich zuweilen unzufrieden bin. Aber jedesmal wenn ich mir die Entscheidungen vergegenwärtige, die dazu geführt haben, dann muss ich sagen: Das hatte schon seine Gründe, dass es so gekommen ist. Das würde ich nicht einmal anders machen, wenn ich könnte.
Dennoch ist meine Erfahrung, dass es immer mal wieder Schlüsselmomente gibt, wo man zwar nicht jemand anders zu werden, aber die Umstände stark zu verändern und an sich anpassen kann. Nur kann man diese Momente, glaube ich, nicht erzwingen. Und man muss sie und zugleich das Bedürfnis, etwas zu verändern, erkennen.
Das alles finanziert ihr Mann. Weil die A. ihn sonst nicht geheiratet hätte, gibt es keinen Ehevertrag.
Nun, zunächst wäre da das Problem, daß Sie einen solchen – mit Verlaub, meiner Meinung nach – Trottel wie den Gatten der A. auftreiben müßten (ich befürchte allerdings, daß davon noch genug herumlaufen). Aber wahrscheinlich wollen Sie das gar nicht wirklich.
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Mit einem Wort, es geht um die Sinnfrage.
Ob sie sich stellt. Für die Frau A nicht. Vielleicht…
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aber man selbst sein, ist das nicht, sich ständig zu ändern?
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Gegenfrage – ist nicht „Bleib wie Du bist“ eigentlich das größte Kompliment, das man jemandem machen kann?
REPLY:
kommt sicher – wie immer im leben – auf den jemand an…
Eine Lobotomie scheint mir in diesem Fall ein guter Anfang.
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@elke66
Das „sich ständig ändern“ halte ich persönlich für richtig, aber nicht jeder sieht es so. Jedenfalls ist es mir heute einen Beitrag wert.
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@ virtualmono:
ich sag gern: bleib wie du bist und werde jeden tag ein bisschen anders.
in „bleib wie du bist“ sehe ich nicht ausschließlich ein kompliment, sondern auch einen hemmschuh, nämlich „entwickle dich nicht weiter, vor allem nicht in eine richtung, die mir vielleicht aus irgendwelchen gründen nicht so gefallen könnte.“
zum ursprünglichen blogeintrag.
die a. lebt ihr leben, die c. lebt ihres, sie, verehrte modeste leben ihres und ich meines. ich hätte vermutlich auch gern das geld der a. und würde auch gerne öfter ausschlafen können. ich würde mich nicht wohlfühlen damit, dass ein mann mir das alles finanziert. ich bin es gewohnt zu kämpfen, und wogegen oder vor allem wofür sollte ich kämpfen, wenn mir vieles in den schoß fällt.
ich stell es mir für ein paar wochen ganz schön vor, den tag im kaffeehaus zu beginnen und in einer bar zu beenden, und dazwischen ein wenig zu shoppen, aber es würde mich nicht auf dauer erfüllen. Da schlag ich mich lieber mit Klienten, Kollegen, Vorgesetzten herum, da tu ich lieber etwas, das in meinen Augen Sinn hat.
Aber jedem und jeder das seine/ihre.
Möge die A. glücklich sein, wie sie ist. Und Sie auch, Verehrteste.
das modell c. entspricht meiner ex frau. sie hat es inzwischen geschafft mit ihrer freiwillig gewählten arbeitsbelastung ihr ehemals frisches und blühendes äußeres mehr oder weniger dauerhaft hinzurichten.
das entspricht einigen ähnlichen geschichten [m/w] in meinem freundeskreis. auf der langen distanz hinterläßt der stress einer arbeitsbedingten überbelastung – der sich zwangsläufig ins private überträgt – spuren. was man mit 30 noch halbwegs weggesteckt wird spätestens ab 40 beinhart quittiert. so gesehen würde ich die überschrift fett unterstreichen …
das lebensmodell
der a. ist nur scheinbar lukrativ, das ist meine erfahrung. so ein mann macht das ja nicht ohne hintersinn. vielleicht ist er nicht oft da, aber w e n n er da ist, wird er seine forderungen stellen, die alles mögliche sein können. aufmerksamkeit, wohlgefälligkeit, sex usf.
solange die vorstellungen der a. sich mit seinen decken, mag das ja ganz in ordnung sein, aber wenn nicht … könnte die a. merken, dass sie mit ziemlich leeren händen da steht. der fehlende ehevertrag muss für herrn a. kein hinderungsgrund sein, sich nicht eine andere, zu gegebener zeit vielleicht deutlich jüngere, zu nehmen. es ist so schwierig nicht, sich arm zu rechnen. d a s beherrschen sie im zweifelsfalle alle.
vermutlich ist das neue scheidungsrecht von genau solchen herren gemacht worden. 😉
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@timanfaya
Muss aber nicht so sein. Ich kenne auch Gegenbeispiele. Wobei ich dir schon recht gebe, dass der Stress ein gutes Aussehen kaputt machen kann. Doch es gibt Distress und Eustress. Die Frage ist eher, wie innerlich mit der Arbeitsbelastung umgegangen wird. Wieviel Stress man sich selbst bereitet. Mit dem Arbeitspensum an sich hat es nichts zu tun.
Frauen der Type A altern dafür in der Regel auf eine Weise, dass – wenn einmal das Lifting nichts mehr hilft – nichts an Substanz übrigbleibt, was die „alte“ Frau noch interessant macht.
Wenn ich hingegen – weil man Blick gerade auf das goldene Notizbuch fällt, auf dessen Umschlag Doris Lessing abgebildet ist, – mir eine Frau dieser Provenienz ansehe, dann ist da eine Attraktivität im alten Gesicht vorhanden, die ich einer Frau A. nie vorhersagen würde.
Oder ein anderes Beispiel: ein Video, dass mir ein aktuelles Bild einer Pianistin zeigt. Die Frau halte ich noch immer für äußerst attraktiv.
http://www.youtube.com/watch?v=LAVBO9pcbqI
Die Pianistin muss jetzt bald 70 sein.
ich bin übrigens b.
– weil ich beides gleichzeitig hatte. und das funktioniert natürlich sehr bedingt. leben sie einmal wie c. mit einem, der a. erwartet …
die neue a. in seinem leben ist bestimmt viel treusorgender als ich.
der neue mann in meinem leben hält mir den rücken frei.
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Ein bißchen mehr wie bei der A. dürfte es schon sein bei mir, aber da sehe ich wenif Chancen.
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Ja, und manchmal frage ich mich, was ich vo Leben gehabt haben werde, wenn sie kommen.
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Ja, man wird das sehen.
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Man reagiert ja stets, und selten weiß man, was Wesen ist und was Erscheinung.
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Sie haben recht, ich hätte die Alternative wirklich nicht, halb weil ich das nicht wollte, und halb, weil niemand bereit wäre, dies für mich zu tun.
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Veränderung. Vielleicht ein gutes Stichwort für das kommende Jahr.
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Ach, an manchen Tagen hätte ich ja nichts gegen …
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Das würde einem ja ohnehin viel erleichtern.
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Alt werden wir ja eh alle.
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Irgendwer will ja immer was, ob das nun ein Mann ist, ein Chef, ein Kunde —
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Dann hört es sich nach einem guten Tausch an.