Aber die Tram fährt vorbei. Ein paar Jungen heben Bierflaschen hoch wie Pokale gegen die Fenster der rollenden Bahn, ein Mädchen lacht laut, an die Scheibe gelehnt, den Kopf weit im Nacken, und zwei küssen sich so, als ob morgen die Welt zu Ende sei und die Liebe vorbei. Heute aber ist die Nacht noch jung und riecht so elektrisch nach Benzin, nach Parfum und gebrannten Mandeln vom Markt.
Du aber läufst nur heim: Eine dickliche Frau in zu dünnem Mantel, die Hände ganz tief in den Taschen. Dunkel, fürchtest du, wird es sein in deiner Wohnung, und keine Seele wartet auf dich mit blitzenden Kelchen, Gesang und sprühenden Küssen. Niemand flüstert dir lauter hübsche Lügen ins Ohr, niemand lacht und nimmt dich warm in die Arme. Neblig und kalt wird es sein und frieren wirst du bei laufender Heizung, und wenn du heute nacht stirbst, dann stirbst du allein.
Aber aber, Frau Modeste,
auch wenn er der Melancholie im Titel geschuldet sein mag, derartiger Nihilismus führt doch zu keinem Lustgewinn – außer vielleicht bei uns Lesern.
Setzen Sie lieber an dem gemalten Bild an. Verändern sie ein wenig die Zusammenstellung der Farbpalette (weniger Grautöne), die Perspektive und den Schnitt, die gesamte Bedeutung ist eine andere. Beleuchten Sie ruhig auch noch einmal die Meute in der Tram… sie können hinter die vordergründig heitere Fassade schauen.
Dort ist es erschreckend, also wieder mit dem Fokus in die Wohnung zur Dame, die gerade ankommt. Kann es nicht sein, daß die Wohnung hell und heimelig ist und nach Zuhause duftet? Daß die Katze Tilly die Nase in den Gang steckt, um dann unberührt von einem Zimmer in das nächste zu laufen? Mir erscheinen diese Gedanken alle gar nicht so unangenehm.
Und lassen Sie bitte den Gevatter noch eine Weile dort wo er ist. Ergebenst, Ihr
Energist
Madame sind leidend?
Madame sollte an Rilke denken:
„… wer vermag denn zu lieben?
Wer kann es? Noch keiner.“
Und Madame sollte vorsichtig sein den schmalen Pfad
zwischen Melancholie und Larmoyanz nicht zu verlasssen –
Manchmal ahnt der geneigte Leser doch dunkle Neigung in diese falsche Richtung hin.
es ist winter, ich weiß. ich spüre es in jeder rille. und an rilke mußte ich auch denken: Wer jetzt stirbt irgendwo in der Welt,
ohne Grund stirbt in der Welt …
ein adjektiv würde ich allerdings streichen, dieses „dicklich“. davon habe ich in der letzten woche nichts feststellen können. dann schon eher an mir.