Wenn ich einkaufen gehe, siezen mich die Leute beim Bäcker. Wenn ich sage, was ich beruflich mache, zuckt keiner mehr wie noch in den ersten Jahren, als ich ganz neu war, so circa dreißig damals, und mich ab und zu Leute mit einer Referendarin verwechselt haben oder gleich mit dem Sekretariat. Ich scheine so auszusehen, wie ich bin.
Wenn ich ausgehe, gehöre ich zu den älteren Frauen im Laden. Ich bin noch nicht zu alt, das nicht, in Berlin geht viel, was woanders nicht mehr so recht ausschaut, aber zu den Mädchen vor den Boxen, ganz vorn, da wo die Musik spielt, gehöre ich nicht mehr. Wegen mir sind die Jungs nicht da, die mit den Lederjacken und den Sonnenbrillen und dem Roman, den sie mal schreiben werden, wenn sie ein bißchen gelebt haben werden und da was ist, über das man schreiben kann. Mich sehen die nicht mehr. Ich bin nicht mehr da.
Fremd fühlt sich das an, aber ganz okay, irgendwie schon passend zu der Frau im Spiegel, die mehr Kostüme hat als Sachen für nachts, aber ab und zu, wenn keiner dabei ist, im Spiegel im Bad oder in der Schaufensterscheibe im Vorbeilaufen, halb aus den Augenwinkeln, ist ich noch jemand anders, jemand von früher vielleicht, den ich besser kenne und der mir lieber sein mag, aber darauf kommt es wohl sicherlich kaum mehr noch an.
Ein mir, mit 36, auch sehr vertrautes Gefühl. Vor allem wenn man die Orte in der Heimatstadt besucht, an denen man gelacht, geweint, abgestürzt ist und dort nun andere, jüngere Menschen diese Erfahrungen machen. Das ist unwiderbringlich vorbei aber ich sehe mich manchmal noch eher in diesem „früheren“ Leben als in meinem derzeitigen. Aber wat mut dat mut…
“Natürlich ist Altwerden kein reines Vergnügen.
Aber denken Sie mal an die einzige Alternative.“
(Robert Lembke)
Wenn ich mich recht erinnere, gingen Ihnen diese Jungs, die irgendwann einmal einen belanglosen Roman schreiben werden, bis dahin aber immer nur davon reden, sowieso immer etwas auf die Nerven. 😉
Spiegelnd aus dem Augenwinkel sehe ich keine, die ich lieber mögen könnte: die Mitte 20 -jährige, die ein schwarzhaarig düsterer Punk war oder die Mitte 30 -jährige, diese ewig gestresste, schlamperte junge Mutter gefielen mir weniger. Jetzt (mit Mitte 40) sieht die, die sich im Vorübergehen spiegelt, zum ersten Mal nicht aus, wie ein kleines Mädchen, das Hexe spielt, oder wie eine ausgewrungene Mama, sondern wirklich wie eine Frau (auch im Kostüm). Das ist schön, dass ich auch die noch kennengelernt habe.