Zugegeben, es hört sich etwas albern an, wenn man klagt, es habe die ganze Zeit geregnet, während man in Portugal war, so als glaube man, einen Anspruch auf einen regenfreien Aufenthalt zu haben, wenn man in Urlaub fährt, was man eher so einem Urlaubstypus zuschreibt, den man jetzt vielleicht so alles in allem nicht so besonders toll findet, weil er komisch aussieht und sich auch nicht so gut benimmt. Es war aber trotzdem nicht so schön mit dem Regen, denn zum einen sieht so eine Stadt im Regen natürlich nicht gut aus, und zum anderen geht man nirgendwo gern hin, wenn es so schrecklich nass ist. Man kann Taxi fahren, schön, aber wo soll man schon groß hin, wenn es so regnet.
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Vor lauter Tristesse habe ich von Lissabon bis Porto die große Augustus-Biographie von Jochen Bleicken in drei Tagen zu Ende gelesen. In den letzten Wochen davor bin ich etwas mühsam vom Tode Caesars bis zum Tode Ciceros gelangt, aber nun geht es schnell. Actium, Prinzipat, Livia, die beiden Iulien werden verbannt, und schon liegt Augustus auf dem Sterbebett, ein letztes Selbstlob, und dann ist das Buch zuende. Keinen Fetzen sympathischer als vor der Lektüre ist mir Augustus auf den paar hundert Seiten zuvor geworden. Ein kalter, machthungriger, bigotter Kerl, ein bißchen ordinär, aber schlau, und dass diese Einschätzung sich nicht nur mir aufdrängt, illustriert ganz besonders der Umstand, dass Bleicken selbst auf den letzten Seiten Augustus gegen den Vorwurf mangelnden Charismas verteidigt.
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Portugal hat – das habe ich im Reiseführer gelesen – sehr, sehr niedrige Löhne, aber gleichzeitig mit die höchsten Lohnstückkosten Europas. Tatsächlich teilt sich dies an allen Ecken und Enden mit. Von dem sehr, sehr langsamen Mitarbeiterstab des Corinthia Hotels in Lissabon bis zu der opernhaft wogenden Runde in so einem Fischrestaurant irgendwo mehr so Richtung Wasser bewegen sich die Potugiesen deutlich langsamer als alle anderen mediterranen Bevölkerungsgruppen, so als sei der Atlantik an sich irgendwie anstrengender als das Mittelmeer und brauche die Energie der Portugiesen gleichsam vollständig auf.
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Über Portugal zu berichten gibt es vermutlich berufenere Stimmen, also für das, was man so gemeinhin das Atmosphärische nennt, das rostrote Mosaik der Dächer der Alfama, so etwa, die leeren Fadolokale im Oktober und der gebratene Fisch. Was aber mitzuteilen bleibt, ist der Ruhm der portugiesischen Zuckerbäcker, deren Blätterteig, die sahnige Füllung der Pastéis de Nata in Belém, im Park mit einem Kaffee von Mc Donalds und einer FAS. Die Frischkäsetaschen in Coimbra (gerade ging es mit Marc Anton rapide abwärts), und die letzten halb zerdrückten, klebrigen Gebäckteilchen im Flug nach Berlin.
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Von Lissabon bis Berlin Alexander Osangs Königstorkinder gelesen, eine so halb auf den letzten Seiten zurückgenommene Affäre zwischen einem ganz, ganz gescheiterten Ostjournalistenstudienabbrecher und einer westdeutschen, auf ihre Art vermutlich ebenso gescheiterten Mutter, die in den neuen weißen, durchaus etwas abschreckenden Häusern bei uns um die Ecke am Friedrichshain wohnt. Die Story über das Phänomen, das Soziologen – warum auch immer schrecklich missbilligend – Gentrifizierung nennen, plätschert so dahin, es geht um West und Ost, als seien das noch interessante Kategorien für irgendwen, und ich habe ein wenig gelangweilt ein paarmal mächtig gegähnt und lange, lange mit dem Finger in der Seite aus dem Fenster geschaut auf die Wolken über Spanien, Frankreich und schließlich Berlin. Berlin.
Regen, melancholische Langsamkeit, noch mehr Regen – nur das Wort „Saudade“ haben Sie bislang beharrlich vermieden. Hat Ihnen denn niemand den Fado gesungen?
REPLY:
Tatsächlich war es insgesamt leider eher trist denn melancholisch.