Irgendwo im Internet habe ich gelesen, dass auch andere Frauen ziemlich viel Zeit damit vertun, allein zu Hause alles anzuziehen, was sie so haben, und im Spiegel nachzuschauen, wie sie so aussehen. Besonderen Spaß macht das mit Cocktail- und Abendkleidern, die kann ich sonst ja nie anziehen. Das blaue, seidene von Charlotte Høyem. Das nie außer Haus getragene Paillettenkleid. Das silberfarbene von diesem Theaterschneider in Mitte, der aus irgendwelchen Resten großartige Roben schneidert. Mein rotes Kleid von les jolie choses mit dem fabelhaften Dekolleté.
Ab und zu schaue ich in den Modeblogs nach, was ich denn dazu noch brauche. Zu meinem lila Lieblingskleid von parapluie in der Schwedter Straße brauche ich derzeit unbedingt Overknees aus Wolle in so einem Zopfmuster und vielleicht einen Gürtel, den ich letztlich bei APC mal gesehen haben. Um in meinem grauen Kleid von Schumacher optimal auszusehen – hierzu vielleicht der neue, lange Cardigan mit den Military-Schulterstücken? – muss ich allerdings erst mal wieder drei Kilo abnehmen. Da stehe ich also vor dem Spiegel und betaste angeekelt meinen Bauch. Ich werde demnächst platzen, so sieht’s aus, wenn ich nicht ganz schnell weniger esse. Sport wäre auch nicht schlecht.
Mit weniger essen ist es aber schwierig. Gehe ich irgendwohin, stehen da Häppchen. Sogar im Büro gibt es immer irgendwo Reste von Buffets. Ständig hat irgendwer Geburtstag und bringt Kuchen. Menschen laden mich ein. Ich bin irgendwo verabredet und bestelle dann doch keinen Feldsalat, sondern die Variationen von der Gänseleber und werfe eine geschmorte Rehschulter und Marillenknödel hinterher. Ich verzichte nie aufs Dessert und esse aus Prinzip zweimal täglich warm. Mein ganzes Sozialleben kreist um gedeckte Tische. Wenn irgendwo ein neuer Laden aufmacht mit einer guten Karte renne ich sofort hin, und wenn ich Gäste habe, esse ich selbst am meisten. Freitag zum Beispiel: Der liebenswürdige Sven K und seine M. essen jeder so circa eine halbe Blutwurst mit Kartoffelpüree und ein bißchen Sauerkraut, eine Miniportion des mitgebrachten sehr, sehr, sehr guten Käses, und ich verschlinge einen halben Meter Wurst und ein Pfund Käse.
Ich fühle mich schwer, als ich schlafen gehe. Unter mir ächzt der Lattenrost. Neben mir wälzt sich der J. Zu meinen Füßen geht die Katze Lilly vorsichtshalber auf Abstand, um nicht dabeizusein, wenn das Bett unter mir zusammenbricht, und ich schwöre bei allen Göttern der Damenkonfektion, schon morgen Gemüse zu erwerben, leichte Speisen zuzubereiten, gedünsteten Fisch, Reis und Möhren. Keine Milch, sondern Molke, keine schweren Weine, sondern höchstens mal ein Glas Weißweinschorle und Zitronenwasser statt der guten Bionade aus Zucker. Hart wird das werden, sehr hart.
Gemüse, Fisch, Reis, Möhren, das kann man alles machen. Aber reden wir von Rouladen, Gänsebrüsten, Sahnesaucen und Barolos. Man kann bestimmt vertrocknet und abstinent hundertfünf werden. Oder man kann mit siebzig den Tod der zu hohen Blutfettwerte sterben. Dann aber hatte man aber wenigstens vorher Spaß am Essen.
Die Welt ist schön, solange die Bäuche der Frauen weich und rund sind.
(liebärhabisches Sprichwort)
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Ich habe heute ein Wiener Schnitzel im Alt Wien gegessen, eine heiße Schokolade getrunken und üppig gefrühstückt. Ich werde nie abnehmen, so sieht’s aus.
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Gebe Gott, dem sei so.