Unfassbar. Man hätte nach zwanzig Minuten gehen sollen, als immer noch ein Trichter über der Bühne des Deutschen Theaters hing, durch den die Schauspieler sprachen. Nun steht – es ist ein Gastspiel – das Ensemble des Thalia-Theaters nebeneinander auf der Bühne und sagt die Rollen auf wie die Sänger in einer konzertant aufgeführten Oper.
Neben mir windet sich der J. Nun gut, Lessings Nathan war vielleicht noch nie der deutschen Literatur spannendstes Stück. Dass die Inszenierung von Stemann aber dermaßen quälend ausfallen würde, war nun auch wieder nicht klar. Es ist unfassbar und bodenlos grässlich.
Die Bühne ist so gut wie leer. Irgendwo auf der schwarzen Fläche stehen zwei Schreibtische, die Mikrofone, an denen die Schauspieler in Hose und Hemd stehen und sprechen, und als irgendwann sehr klassisch verkleidete Personen erscheinen, ist klar, dass ein Regisseur keinesfalls nun anfangen lassen kann, zu spielen, sondern irgendetwas anderes passieren muss. In diesem Fall bieten die Kostümierten einen Kommentar von Elfriede Jelinek dar. Ich wäre wirklich gern woanders. Der M., zwei Plätze neben mir, verlangt gut hörbar sein Geld zurück. Die M. neben ihm wirkt auch nicht so besonders erfreut.
Dass wir besser im Alt Wien geblieben wären und den aus reinen Zeitgründen nach dem Schnitzel nicht mehr bestellten Kaiserschmarrn nicht gegessen haben, bedauere wohl nicht nur ich gerade ganz erheblich. Ich hätte auch den ganzen Tag mit der J. weiterfrühstücken können, das wäre auch nicht übel, aber statt dessen quetsche ich mich ins Theater, das schon für meine 1,68 eigentlich nicht genug Platz bietet. Es ist gleichermaßen langweilig und peinlich. Da Regisseure aus irgendwelchen mir unbekannten Gründen ihr Publikum regelmäßig für bescheuert halten, hat auch Stemann diese Inszenierung ganz offensichtlich mit dem Holzhammer entworfen. Ideenlosigkeit und die fixe Idee, ein Theaterstück müsse möglichst originell auf die Bühne gebracht werden, gehen eine unverdauliche Melange ein, und das Beste, was sich über diese Inszenzierung sagen lässt, ist, dass sie um zehn endet.
Leicht benommen sitzen wir in den Schwarzwaldstuben und warten zwei geschlagene Getränke lang auf den Kaiserschmarrn der M. Dann laufen wir heim. Die Nacht ist wärmer als gedacht und der Mond leuchtet voll durch das gelbe, spärliche Laub.
Dabei läuft doch in Berlin nach wie vor die sehr sehr gute Nathan-Inszenierung am BE.
Liebe Frau Modeste,
also von den Schwarzwaldstuben bis zu Ihnen nach Hause zu Fuß ist ja eine gute sportliche Leistung. Wenn Sie das jeden Tag wiederholen würden, wäre das eine gute Übung für Ihre Figurprobleme, die Sie gelegentlich anklingen lassen.
(Unbekannterweise erlaube ich mir kein Urteil und halte mich diplomatisch im Hintergrund.)
Grüße nach Berlin von
Blinkyman
Sie Ärmste! Dass Sie bei so einer doofen Inszenierung überhaupt so lange durchgehalten haben, wenn es nicht einmal genug Platz für die Beine gab.
Wenigstens der Mond war schön anzusehen, immerhin.
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Die kenne ich, die ist wirklich gut.
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Tja, wenn. Schlecht wär’s nicht. Heute bin ich aber erst nach Neukölln und dann wiedr zurück in den Prenzlberg gefahren, das ist auch nicht ohne.
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Wir saßen genau in der Mitte, da mag man auch nicht einfach abhauen.
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Stimmt, da mag man andere Leute nicht aufscheuchen. Obwohl, wer weiß, vielleicht wären die auch gern gegangen. 😉