Journal :: 06.11.2010

Ausführliche Telefonate im Familienkreise haben ergeben, dass Körperpflege in meinem Leben nicht die Rolle zu spielen scheint, die ihr gebührt. Mit durchschnittlich vier kosmetischen Behandlungen pro Jahr kann ich die Rücklichter meiner weiblichen Verwandten im Rennen um eine gepflegte Erscheinung nur noch mit Mühe am Horizont ausmachen. Außer mir, so erfahre ich, geht jeder normale Mensch weiblichen Geschlechts jeden Monat zur Kosmetik und lässt Gesicht, Brust, Hände, Füße und Körperbehaarung professionell in Ordnung bringen. Ich bin verunsichert. Ich schaffe es vielleicht einmal im Quartal zu Kosmetikerin N., der leicht verfetteten Schönheitskönigin einer bulgarischen Kleinstadt. Die Erkenntnis ist bitter: Ich bin Modeste, das Mädchen aus dem Urwald.

Schlecht gelaunt und struppig liege ich auf dem Sofa und surfe ich ein bißchen im Netz. Die Schminktipps der Stars wenden sich an eine offensichtlich deutlich differierende Zielgruppe. Ich kann und will Megan Fox nicht zum Vorbild nehmen. Haben Sie Lindsay Lohan mal gesehen? Ich habe zwei Hautcremes aus der Apotheke, ein Make Up und zwei Lippenstifte von Rossmann. Ich kaufe da auch ab und zu die rosa Einmalrasierer, um nicht komplett zu verstrubbeln. Wo haben eigentlich andere Frauen das Wissen um das ganze Zeug her, das es in diesem Segment zu kaufen gibt? Woher weiß man überhaupt, welchem Hauttyp man angehört? Ich habe an sich keine Falten, aber ab und zu Pickel, wenn ich etwas sehr Fettes esse. Nennt man das Mischhaut oder ist das normal? Wieso gibt es eigentlich keine Creme für normale Haut? Habe ich schon reife Haut oder brauche ich eine Spezialcreme für große Poren? Ist meine pH-5,5-Body-Lotion Anti-Aging genug oder altere ich ohne besondere Pflege am Rest der Welt vorbei und sehe in wenigen Jahren so aus, als sei ich mindestens schlecht erhaltene 40, während alle anderen Frauen meines Jahrgangs sich nonchalant als 28 ausgeben können?

Möglicherweise, auch das muss man sicher erwägen liegt es gar nicht an fehlender Pflege. Vielleicht würde ich auch mit einer sehr guten und regelmäßigen Pflege noch immer eher als ein feiner Kerl und mehr so zufällig weiblich und nicht als eine Prinzessin vom Prenzlauer Berg eingeordnet werden. Vielleicht, so sinniere ich und koche mir einen Zintronengrasteee, vielleicht ist man erst Exponentin eines gewissen Typs, dann zieht dies einen gewissen Lebensstil nach sich, und dass ich am Samstag mittag wirklich meine Sachen packe, um mich in Mitte ein wenig verschönern zu lassen, ist ganz egal und völlig vergeblich.

(Zumal, wenn man nicht groß ausgeht, sondern Samstag abends einfach so zu viert mit dem R. und der I. im Cavallino Rosso etwas isst.)

3 Gedanken zu „Journal :: 06.11.2010

  1. Ihr Dilemma erinnert mich an eine Huldigung des Hautpflege-Klassikers schlechthin, die ich einst schrieb. Heute verwende ich allerdings die Soft-Variante. Übrigens musste ich 30 werden, um zu begreifen, dass sich meine sensible Gemütsverfassung keineswegs automatisch auf meine Haut niederschlägt. Ich habe nämlich ganz unspektakulär normale Haut. Wie Sie zu recht anmerken, ist dieser Typus kosmetisch unterrepräsentiert. Und auch wenn ich noch so oft abwägend die Creme-Regale der Drogerien durchforste und mitunter neues probiere, ich kehre immer wieder zu Nivea zurück. Das bleibt.

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