Journal :: 18.11.2010

Am Flughafen auf dem Weg nach Stuttgart gibt es nur noch die Berliner Zeitung und eine Frauenzeitschrift namens „Jolie“. Im Flugzeug gibt es Chips in kleinen Tüten, mit denen ungezogene Mitreisende die gesamte Kabine vollkrümeln, und neben mir sitzt ein unglaublich schwäbelnder rotgesichtiger, älterer Mann mit Schnauzbart, der der Stewardess befiehlt, ihm gleich zwei Kaffee einzuschenken, ohne sich zu bedanken.

Der Taxifahrer am Stuttgarter Flughafen spricht weder hochdeutsch noch irgendeine andere deutsche Mundart. Das Ziel meiner Fahrt kennt er auch nicht. Irgendwer müsste, geht es mir durch den Kopf, von Zeit zu Zeit unangemeldet die Identität der Taxifahrer mit den Personen, als die sie sich ausgeben, abgleichen, aber für die wirklich wichtigen Dinge im Leben hat ja nie einer Zeit. Übrigens spürt man weder in Tegel noch in Stuttgart irgendwas von erhöhten Sicherheitvorkehrungen wegen Terrorgefahr, aber vermutlich ist das nur realistisch.

Den ganzen Tag gibt es nichts als Besprechungsbrezeln und Kekse. Abends bin ich verabredet, das schaffe ich aber absehbar nicht, und meine Mittagsverabredung habe ich gleich ganz abgesagt. Statt dessen mühe ich mich den ganzen Tag, Konversation mit Menschen zu betreiben, die irgendwie nicht so richtig Lust haben, sich mit mir zu unterhalten. Vernünftige Menschen fangen in solchen Situationen vermutlich irgendwann an, in der Zeitung zu lesen oder lösen ein One-Way-Ticket in die innere Emigration, aber ich plappere verzweifelt über alles, was mir in den Kopf kommt, von der Nouvelle Vague bis zur Jugend der Bundeskanzlerin, vom perfekten Cupcake bis zum Megatrend Lavendel, verheddere mich fürchterlich bei dem Bemühen, authentisch, aber bodenständig, freundlich, aber nicht distanzlos zu erscheinen, und strenge meine Umgebung und mich vermutlich schrecklich an.

Am Flughafen Tegel so gegen 21.00 Uhr komme ich am Terminal C an. Das Terminal C ist eine Art Wellblechbaracke rechts vom eigentlichen Flughafengebäude. Das an sich ist nun kein Problem. Ich will ja ohnehin nicht mehr Zeit im Flughafen verbringen als unbedingt nötig. Dumm nur: Vor dem Terminal funktioniert das Abtransport der Heerscharen anreisender Menschen per Taxi nicht. Entweder stehe ich zu weit hinten, dann nimmt mich kein Taxi mit, weil sie nach vorn vorfahren sollen. Oder ich stehe ganz vorn, dann kommt kein Taxi bis zu mir, weil dreistere Leute, als ich es bin, die Taxen hinten einfach stoppen und sich auf den Rücksitz werfen. Weil es so voll ist, kann ich meinen Regenschirm auch nicht öffnen, deswegen werde ich zu alledem auch noch nass.

Irgendwann, es ist so ca. 22.15 Uhr, sitze ich schließlich auf dem Weg heim im Taxi. Es nieselt. Der Himmel ist stumpf und schwarz. Berlin sieht aus wie Gotham City, und zu Hause werde ich nur erwartet, weil mein Kater ohne mich nicht an sein Futter kommen kann. Statt von blühenden Sommerwiesen träume ich von der U-Bahn.

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