Auf keinen Fall darfst du jetzt schlafen. Wenn du einfach zu Bett gehst, wirst du eingeschneit, und wenn du wieder aufwachst, bist du ein Zombie in Zehlendorf oder gleich in Osnabrück, und im Carport neben deinem Einfamilienhaus mit Walmdach steht ein VW Touran in dunkelblau. Leg‘ dich also am besten gar nicht erst ins Bett, zieh dir nur die Bürokleidung aus und mach‘ am besten was zu essen. Kochen entspannt, aber man wird nicht so müde. Sieh auf die die Uhr. Es ist Freitag, 20.55 Uhr, und es gibt Frikadellen mit Kreuzkümmel und Chili abgeschmeckt, Reis, gewürzten Joghurt und eine Schüssel Salat. Der J. ist auch da. Kein Abend, um schlafen zu gehen.
Als du heute morgen aufgestanden bist, war es gar nicht früh, wie es sich jetzt anfühlt. Genau genomen warst du wie immer um 1.30 Uhr im Bett und bist um 8.30 Uhr aufgestanden. Sieben Stunden Schlaf. Also bitte. Wenn du jetzt am Freitag abend schlafen gehst, führst du exakt das fade Leben, vor dem du dich immer gefürchtet hast, weil man so schnell vergisst, dass man nur einmal lebt und die Zeit nicht wiederbekommt, die einem durch die Finger läuft: Aus und vorbei.
Am besten du schminkst dich noch ein bißchen, falls du heute noch irgendwo hinfährst. Nimm‘ Parfum, lächele dir zu im Spiegel und mal dir die Lippen rot. Zieh dich noch mal um. Das blaue Kleid, die Tigerstrümpfe und die Stiefel in Cognac. Der riesige Shawl in Pink.
Lauf los, wie immer zu spät. Steig ins Taxi, treib den Taxifahrer an. Du hast noch fünf kurze Minuten bis zum Beginn der Langen Nacht des abwegigen Films. Lauf durchs Foyer der Volksbühne, setz dich irgendwo hin. Blase Luftballons auf, lache über das Paar mit Elvis auf dem Boden, sei ganz betrübt über den Mann, der sich in sein eigenes Geschwür verliebt, schüttele den Kopf über die traurige Seegurke, trinke Sekt, lass dich im Sternfoyer küssen, und du wirst niemals sterben und ein Zombie sein in Zehlendorf oder Osnabrück und auch nirgendwo sonst.
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