Journal :: 03. bis 05.03.2011

„Überhaupt, dieses Jahr gab’s gar keinen 29. Februar.“, sagt er und schüttelt missbilligend den Kopf. „Ups.“, sage ich. Na gut.

„Das merkt nur keiner, weil ohnehin niemand lesen will, wie du jeden Morgen ins Büro fährst, jeden Abend irgendwo essen gehst, und ab und zu schleppt sich deine dicke Katze durchs Bild.“, fährt er fort, und wenn er wirklich vor mir säße, stünde ich jetzt auf und ginge. Geht nur nicht. Der Nörgler wohnt in meinem Kopf. Den Nörgler schleppe ich mit, wohin ich auch gehe.

Was soll ich auch sagen. Donnerstag war ich mit dem M.2 etwas essen im Yum Cha Heroes. Das ist ein netter Laden am Weinbergsweg, gemütlich und nicht so besonders aufregend. Ganz gute Dim Sum gibt es da, und mit dem M.2 habe ich ein paar Stunden herumgesessen und hauptsächlich eine Tagung bewältigt, bei der wir beide waren, umgeben von lauter alten, toten Männern, die so unglaublich waren, dass wir auch vier Wochen später noch das Bedürfnis haben, uns gegenseitig zu versichern, dass wir nicht so sind wie jene. Nie im Leben, nie, und auch nicht danach.

Am Freitag war ich mit dem J. essen. Gemischte Vorspeisen, Polenta und geschmortes Rind, ein guter Chianti und eine fabelhafte Nachspeise aus Kastanienpüree und Sahne im Femmina Morta. Schön ist es da, Holz und dunkle Wände, Kronleuchter, ein für den Winskiez schon eher etwas älteres Publikum und einen Kellner, der aussieht wie ein entlaufener Pirat. Ich bin ganz gern da, am Freitag bin ich meistens zu fertig, um noch irgendwohin zu gehen, wo es nicht reicht, dass man einfach nur so ein wenig pflanzenhaft vor sich hin existiert, und weil die Woche so ermüdend war, lag ich um Mitternacht im Bett und träumte acht Stunden lang ziemlich krauses Zeug, das man niemandem weitersagen kann, weil die Leute sonst denken, man sei irre.

Samstag war dann am Schlimmsten. Morgens zum Ku’damm. Der J. soll einen Smoking bekommen. Außerdem hat der R. Geburtstag. Wir brauchen ein Geschenk. Auch alle anderen Berliner scheinen Geschenke kaufen zu wollen. Vielleicht wollen sie auch etwas für sich. Wie auch immer, sie drängeln und schubsen sich auf den Bürgersteigen, es ist grässlich voll. Mir wird erst unbehaglich, dann werde ich aggressiv, und als ich um 18.30 in Mitte beim Hasir erscheine, reicht es mir eigentlich mit anderen Menschen. Man weise mir eine Wüstenei. Ich werde noch heute Stylitin, irgendwo außerhalb von Berlin. Möge die Säule hoch sein und andere Menschen irgendwo anders.

Für die I., den R. und die C. immerhin reicht es noch mit meiner Menschenfreundlichkeit. Sogar der Film gefällt mir. Colin Firth sehe ich immer ganz gern, von mir aus auch als König. Der darf auch auf die Säule, denke ich mir. Irgendwann nachts sitze ich mit dem J. im Visite ma tente inmitten von Rauch und weichem, diffusem Licht. Ich trinke Kir. Ich schmecke der Säure nach und der Süße. Die Nächte sind das Beste an Berlin, sage ich mir, und der Nörgler in meinem Kopf schweigt und lehnt sich an die warme Innenseite aus Knochen und seufzt mir ins Ohr, als wolle er auch mir etwas sehr Nettes sagen.

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