Nach dem Essen kommt es dann doch raus: Die I. hat uns gar ncht zum Grillen eingeladen. In Wirklichkeit hat der M. seine Freundin, die M., das gemeinsame Kind, den J. und mich und sich selbst bei der I. eingeladen, indem er Freitag mittag einfach bei der I. angerufen und uns angekündigt hat, denn die I. hat einen Garten und wir nicht.
Wahrscheinlich weil die I. sich nicht so richtig gesträubt, sondern einfach eingekauft und aufgeräumt hat, hat der M. uns von dieser Vorgeschichte des Grillens gar nichts erzählt. Vielleicht wäre der J. dann auch nicht mitgekommen, weil er den Weg erst mit der M 4 und dann mit der S. 8 und dann mit dem Bus 260 so abstoßend findet, dass er nur dann gern zur I. fährt, wenn der Transfer per Kraftfahrzeug gewährleist ist. Ein Kraftfahrzeug besitzen wir aber alle nicht.
Irgendwann aber sitzen wir dann in der Sonne. Etwas kühl ist es noch, und die Beete sind noch recht kahl. Nur die Krokusse blühen lila und gelb und sehen nach Frühling nach, die Sonne scheint, und auf der Hollywoodschaukel der I. liegt die sechs Wochen alte C., das Kind von M. und M., und schaukelt ganz leicht hin und her. Vor der Schaukel liegt ein Berg Decken und Kissen für alle Fälle.
Es gibt Merguez und Steaks und Chicken Wings, die die I. mariniert hat. Es gibt auch Salat und Guacamole, es gibt Bier und Sekt und Bionade, und als der S. aus dem Büro nach Hause kommt, liegen wir zu fünft im Anbau auf den Sofas und erzählen uns träge und ziemlich verlangsamt irgendetwas über nichts. Ab und zu schauen wir im Internet, wie in Japan die Welt untergeht, und wundern uns ein bißchen, dass auch in echt alle Katastrophen aussehen wie von Roland Emmerich. „Unfassbar.“, sagen wir, weil man zu diesen Bildern nichts anderes sagen kann, als dass es so etwas nicht geben soll, und dann trinken wir noch etwas mehr und essen Nüsse und buchen für eine Woche alle zusammen im Juni ein Haus am Meer.
„Ich war noch nie auf Usedom.“, sage ich und schaue mir die Bilder von Usedom an, auf denen das Meer aussieht, als sei es zum Vergnügen da, und denke nicht an die Bilder, auf denen sich der Pazifik eine ganze Stadt nimmt mit Häusern und Autos und echten Menschen, weil es nicht auszuhalten ist, wie zerbrechlich das ist, was wir bewohnen, wie es schmelzen kann von einem Moment auf den anderen, und wie wenig Gewicht uns zukommt auf der Waage der Welt.
Selbst in Japan scheinen noch nicht alle begriffen zu haben wohin wir steuern. Bei uns schon gar nicht. Und in wenigen Tagen werden wir Japan schon wieder vergessen haben, wie auch die Geschehnisse in Libyen bereits wieder im Hintergrund verschwunden sind.
Darum kosten Sie das Leben noch aus solange es sich noch leben läßt.
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ich glaube kaum, dass japan so schnell vergessen werden kann. selbst, wenn man wollte. das ist was großes. (so furchtbar es auch klingt.)
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so wie es aussieht werden wir die ein oder anderen 10.000 jahre zeit bekommen, bis das vergessen einsetzen kann.
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Warum sollten wir Japan nicht vergessen?
Tschnernobyl wurde schließlich auch vergessen.
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Der Mensch kann unheimlich gut verdrängen.
„…weil es nicht auszuhalten ist, wie zerbrechlich das ist, was wir bewohnen, wie es schmelzen kann von einem Moment auf den anderen, und wie wenig Gewicht uns zukommt auf der Waage der Welt.“
Danke.