Langsam wird die B. mir unheimlich, die jeden Mittwoch meine Wohnung reinigt: Letzte Woche, da war ich nicht da, hat sie eine Schale Pistazien sortiert, die der J. halb gegessen und mit den Schalen stehen gelassen hatte. Diese Woche hat die B. dagegen nicht nur die Wohnung aufgeräumt und geputzt, sondern auch die Katzen gründlich gereinigt und gebürstet. Ich will nicht ausschließen, dass sie auch Kind F. und mich einmal so richtig porentief grundreinigen würde, bekäme sie dazu Gelegenheit. Heute aber bestand die Gelegenheit nicht: Mittwoch morgen ist Pilates, und der F. kommt mit.
Im Prenzlauer Berg gibt es bekanntlich mehr Pilates-Studios als Nagelstudios im Wedding, und sie sind alle, alle voll. Besonders voll wirkt so ein Pilates-Studio natürlich, wenn nicht nur ungefähr zehn schwangerschaftsbedingt leicht verschwabbelte Frauen mittleren Alters (alle außer mir blond) auf Matten liegen, sondern neben jeder Frau auch noch ein Kind liegt und je nach Alter und Temperament entweder an die Decke starrt oder teilweise geräuschvoll auf sich aufmerksam macht. Ich liege also auf einer grünen Matte und verspüre ein deutliches Zucken in den Nerven, die für Gereiztheit zuständig sind. Mich stört zwar mein eigenes Kind nicht. Für andere Kinder gilt das aber noch lange nicht. Da hilft auch der kleine lächelnde Buddha aus Stein in der Fensternische nicht weiter: Es soll ruhig sein. Gerade noch rechtzeitig endet die Kurseinheit. Im kurzen Gespräch mit einer anderen Kundin simuliere ich Verständnis und Interesse an ihrem störenden Kind und bin ein bisschen peinlich berührt: Die Frau erinnert sich von der letzten Pilates-Stunde noch genau an meinen Namen und den meines Babys. Ich hätte geschworen, weder sie noch ihre Tochter jemals gesehen zu haben. Leicht verschämt ziehe ich ab.
Als ich zu Hause wieder auftauche, ist die B. gerade weg. Die Wohnung ist unglaublich sauber und aufgeräumt, unfassbar insbesondere wenn man den Vorzustand kennt, und so lege ich mich erst einmal aufs Sofa, lese, telefoniere und genieße den Zustand. Schon, genau kann ich das sehen, lauert in den Ecken erneut die Entropie: Auf dem Tisch liegen mein Portemonnaie und die Post. Auf der Arbeitsfläche habe ich mit einem Tee gekleckert, und auf dem Couchtisch liegt ein Stillhütchen. Bis heute abend, das ist leider klar, wird es aussehen wie immer.
Immerhin, so tröste ich mich, wird der aufgeräumte Zustand dauern, bis Frau Engl mich besucht. Vorher schaue ich mir eine weitere Kita ein, denn irgendwer soll Kind F. betreuen, wenn der J. und ich wieder arbeiten gehen, und dann setze ich mich wieder aufs Sofa, kraule Kind F. den Bauch und warte, bis es klingelt. Leider sagt Frau Engl gar nichts zu meiner mordsaufgeräumten Wohnung, aber vermutlich steht dafür schon wieder viel zu viel herum. Selbst das Kuchenessen (drei fabelhafte Stück Kuchen vom Franz Karl in der Bötzowstraße) hinterlässt Spuren, die vorher nicht da waren.
Am Ende, irgendwann abends, sitze ich wieder auf dem Sofa. Neben mir schnarchen leise das Kind und die Katze. Zerstreut blättere ich in der ganz guten neuen Dummy zum Thema „Geheimnisse“. Dann greife ich noch einmal zum Notebook. Die Wohnung, so scheint es mir, sieht wieder aus wie immer.
„Stillhütchen“.
Sie werden mir nicht ausreden können, dass es sich um das Pendant zur Kochmütze handelt.
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Genau. Konisch. Aus Silikon.
ruhig?
mit kindern?!
im ernst??!!
genießen sie die kurze zeit des säuglingdaseins. der lärmpegel steigt – sofern das kind nicht dressiert wird – ab dem sechsten monat unaufhörlich und erheblich an, sowohl qualitativ als auch quantitativ.
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Puh. Alles richtig gemacht. Ab dem sechsten Monat übernimmt der J., und ich gehe wieder ins Büro.
was soll ich sagen? mir erschien tatsächlich alles wie immer. bis auf dieses futuristische monster in der küche vielleicht. und das grunzende f.-chen natürlich.
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Ich sehe, meine elektrische Babyschaukel hat tiefen Eindruck hinterlassen.
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stimmt. diese moderne säuglingsaufzuchtstechnologie hat mich nahezu geschockt. (aber dem f. scheint’s ja zu munden.)
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Ein erstaunliches Gerät, aber es tut seine Zweck. F. liebt es.