Heute mache ich nichts. Als Kind F. nach dem Frühstück um acht wieder einschläft, schlafe auch ich einfach weiter, hypnotisiert von den ruhigen Atemzügen des Säuglings. Draußen ist es hell, registriere ich noch durch den schmalen, leuchtenden Spalt zwischen Fenster und Vorhang. Und wenn schon.
Als ich um elf wieder erwache, trinke ich erst ganz, ganz langsam einen Malzkaffee. Dann trinkt Kind F. Milch. Zäh wie Akazienhonig fließt die Zeit an mir vorbei, stockt nur kurz, als das Telephon klingelt und verrinnt dann schläfrig glucksend irgendwo zwischen Schlafzimmer und Küche. Ich könnte ein bißchen lesen, fält mir ein, und hole mir Frank Goosens „Sommerfest“. Den „Hasen mit den Bernsteinaugen“ habe ich durch.
Erst gegen zwei gehe ich erstmals auf die Straße. Ich muss mehr spazieren gehen, habe ich mir vorgenommen, denn das Spazierengehen verbrennt Fett, und davon habe ich gerade zuviel. Ich schiebe meine Gewichtsentwicklung immer auf das Kind, aber in Wirklichkeit habe ich die gesamte Schwangerschaft über gegessen wie drei normale schwangere Frauen. Aus den Augenwinkeln beobachte ich mein Spiegelbild in den Fensterscheiben. Ich sehe aus wie ein Sack.
Auf dem Rückweg setze ich mich dann in die Sonne. Ich habe meine Sonnenbrille wiedergefunden und blinzele dem Frühling entgegen. Die ganze Stadt hat die Wintersachen ausgezogen und zeigt die noch etwas blassen Beine. Gut siehst du aus, Berlin, denke ich mir, und bestelle einen Saft namens Spreegold Spezial und einen Cappucino und erzähle Kind F., was alles in der Süddeutschen steht. Derzeit ist Kind F. noch schlankweg egal, was man ihm mitteilt, Hauptsache, man spricht mit ihm und lächelt ihn an, und erst, als ich ziemlich lange telephoniere, fällt ihm ein, dass jetzt Essenszeit ist. Ich zahle und gehe nach Hause.
Irgendwann sitze ich auf dem Sofa, und Kind F. liegt neben mir und schläft. Auf der Rückenlehne hinter mir döst meine schöne, blaue Katze, und ich blättere ein bisschen in der Zeit und in der neuen Nido, fange zweimal Goosens „Sommerfest“ an, und frage mich dann doch, warum ich das gekauft habe. Es handelt sich, will mir scheinen, um ein möglicherweise ganz nettes, aber ungewöhnlich unbedeutendes Buch. Statt weiterzulesen schleppe ich also Kind F. ein paar Runden durch die Wohnung und singe ihm etwas vor.
Als meine Mutter anruft, ist der F. schon wieder eingeschlafen. Gut geht es mir, teile ich ihr mit, höre mir ein bisschen Tratsch an, lache über die Irrfahrten einer lieben, ziemlich törichten Tante, und sage, als sie fragt, sehr zufrieden: Nichts.
Goosens Sommerfest…
… ist als Buch, wenn man es selbst liest, nicht so spannend. Wenn man aber das Hörbuch, das vom Autor selbst gelesen wird, hört, dann zaubert es einem hin und wieder ein Lächeln ins Gesicht. Es wirkt wie viele von Gossens Büchern nur, wenn es im Ruhrpottslang gelesen wird.
REPLY:
Das mag sein, so ist es ganz nett, bleibt aber hinter meinen Erwartungen doch recht deutlich zurück. Ich hatte Goosen noch von „Liegen lernen“ und „Tresenlesen“ in recht guter Erinnerung, aber dieses Buch ist nicht so recht meine sache.
REPLY:
mich wundert, dass goosen überhaupt außerhalb des reviers gelesen wird. das ruhrgebiet hat teilweise unterschwellig und teilweise plakativ eine sehr codierte sprache in wortwahl und ganzen geschichten deren „richtiger“ inhalt eigentlich nur von den eingeborenen wahrgenommen wird.
REPLY:
Vielleicht liegt es daran, dass ich mit dem Buch nicht warm werde. Ich habe die Lektüre unterbrochen und lese jetzt erst einmal das China-Buch von Christian Y. Schmidt.