28.03.2012

Früh aufgestanden bin ich noch nie besonders gern, und der F. hat meine Vorliebe für eine Nachtruhe von drei bis zehn offenbar übernommen. Heute müssen wir aber zum Arzt. Der erste Impftermin steht an, und das sehr, sehr früh.

Ich quäle mich also sozusagen mitten in der Nacht aus dem Bett. In der Dusche schlfe ich fast wieder ein. Läge ich in der Wanne, wäre ich vermutlich ertrunken, aber so trockne ich mich sorgfältig ab, setze nach nur zwei Fehlversuchen meine Kontaktlinsen richtig rum ein und föhne mein Haar. Ich sehe irgendwie tot aus, fällt mir auf, als ich in den Spiegel schaue.

Der F. ist vom frühen Aufstehen auch nicht begeistert. Wie ein Sack lässt er sich wickeln und anziehen, trinkt in eher homöopathischen Dosen Milch und fällt dann an der Brust wieder in seligen Tiefschlaf. „So geht das nicht, mein Lieber.“, sage ich energisch und stecke ihn in die Manduca, das ist so ein Teil zum Babytragen.

Nach dem Arztbesuch werden wir beide wieder ganz, ganz müde. Der F. gähnt auf dem Weg die Marienburger Straße hoch, und auch ich würde jetzt sehr gern noch ein paar Stunden schlafen. Das geht aber leider nicht. Die B. ist da und macht sauber, und außerdem sind wir verabredet.

Wieder zu Hause ist es zum Schlafen zu spät. Zwar schläft der F., aber ich sitze schlaflos, aber müde, auf dem Sofa, lese Peter Gays Geschichte der Liebe im bürgerlichen Zeitalter, und krame ein bißchen in den Regalen. Peter Weiß könnte ich bei Gelegenheit zuende lesen, fällt mir ein. Oder die Tagebücher der Brüder Goncourt.

Im Laufe des Abends komme ich dann immer weiter in Fahrt. Ich telefoniere und mache mich über die absurden Gender-Statements der Piraten lustig, bei denen ich nicht verstehe, wer sie und wieso eigentlich wählt. Dass eine Partei „nicht etabliert“ ist, reicht doch für einen normalen Menschen keineswegs aus, um eine postive Wahlentscheidung zu treffen. Man zieht doch auch nichts an, nur weil es ganz neu und bisher noch nicht weit verbreitet ist. Und wie habe ich mir jemanden vorzustellen, der Netzpolitik allen Ernstes für ein Thema hält, das so wichtig ist, dass es Ökologie, Wirtschaft und die meisten gesellschaftlichen Themen so überlagert, dass die Unschärfe der Partei hinsichtlich dieser Themen ihm nichts mehr ausmacht?

Um zwölf knicke ich ab. Wie schrecklich wird das werden, wenn der F. erst eine Kita und dann eine Schule besucht, schwant mir, und ich überlege, ob es eigentlich in Berlin private Institute gibt, die den Unterricht erst um 9.30 beginnen. Mir persönlich wäre das einiges wert. Hier existiert vielleicht eine Marktlücke, male ich mir ein großartiges Geschäftsmodell aus, und schlafe dann Schlag Mitternacht ein. Neben mir schnarcht der F., auch dieser völlig erschossen.

7 Gedanken zu „28.03.2012

  1. REPLY:
    Die Piraten …

    Ich habe den Eindruck, die Piraten nehmen nur dieses Thema wirklich ernst. Die anderen Positionen wirken auf mich zusammengewürfelt und wenig durchdacht; möglicherweise handelt es sich um reine Reaktionen auf den Vorwurf der thematischen Verengung und nicht gerade um Herzensthemen. Das Bekenntnis, von ganzen Themenkomplexen nichts zu verstehen, wirkt auf mich auch nicht sympatisch, sondern flapsig und angesichts der Relevanz der Themen wie Ökologie oder Wirtschaft fast ein wenig ungezogen. Es gibt genug Sachverstand, den man nur aufzurufen braucht, da muss man nicht so wurschtig daherkommen. Wie wenig durchdacht viele Positionen sind, zeigen aber die Statements zu Gender. Hier hat eine Auseinandersetzung mit den Konzepten von Herrschaft und Gesellschaft ganz offensichtlich nicht stattgefunden; die Unbelehrbarkeit mancher Protagonisten macht es dann nicht besser.

  2. na endlich mal… jemand, der meiner VerWunderung bezgl des Piraten-Hypes Ausdruck verleiht. Irrwitzig das Ganze. Bislang kriegte ich da über pauschales Palaver noch Nichts zu fassen, was dieses Sammelsurium seltsamer Gestalten als Parteiliche Organisation be-greifbar machte. Die herausstechende Inkompetenz, oder peinliche Verpeiltheit öffentlicher Auftritte macht.s mir partout nicht leichter. Ich assoziiere da auch mehr einen bunten Luftballon, der zum Platzen aufgeblasen, aber unverknotet mit unkonventionellen Geräuschen seine Lüfte entleert, bevor er verschrumpelt zu Boden schliddert. Lassen wir den Piraten ihr Späßken, denn dieses dürften sie zweifelsohne auf ihrem Höhenflug durchleben. Wissen Sie, was mir viel mehr Sorge macht? Wie um der Götter Willen ist es nur um die geistige Gesundheit der Wählerschaft bestellt, die den Piraten ihre Stimme schenken?! Demnext wird die aus allen Medienecken breit grinsende Katzenberger noch Kanzlerin – vom begeistert-verpeilt-en Volke gewählt. Man soll ja nie glauben, es geht nicht NOCH schlimmer…

    Nur die Meinung einer erklärten Frühaufsteherin. Dafür rafft es mich abends um Zehne dahin. I-wie auch nicht das Gelbe vom Ei – wenn Sie mich fragten.

  3. „Man zieht doch auch nichts an, nur weil es ganz neu und bisher noch nicht weit verbreitet ist.“ Da muss ich Ihnen widersprechen. Was Sie da beschreiben ist „Mode“, wobei „neu“ und „nicht verbreitet“ halt höchst subjektiv ist. Und leider, leider der Aspekt „Sehe ich damit bekloppt aus“ gar keine Rolle spielt oder zumindest billigend in Kauf genommen wird.

    Was das mit der KiTa angeht – die üblichen 9:00h habe ich meist noch geschafft. Hart wird erst die Zeit, wenn Kindchen in die Schule geht und dabei noch begleitet werden muss/möchte. Schule beginnt hier um Punkt 8, d.h. Aufbruch spätestens um 7:40h wenn das Wetter gut genug ist zum radeln/rollern. Bei Schnee gerne um 7:25h.

    Darf es dann noch ein anständiges Frühstück und ein Gespräch sein, bedeutet dies, spätestens um 6:15h aufzustehen. Für jemanden wie mich, der lieber am Abends noch ne Stunde dranhängt, der Horror.

    Zum Glück wollen sie dann ab ca. Mitte der 3. Klasse alleine zur Schule gehen, da muss man zwar immer noch um 7:00h aufstehen, aber das ist im Vergleich zu Vorher schon deutlich besser.

  4. REPLY:

    Ich fürchte, den Wählern der Piraten mangelt es nicht an geistiger Gesundheit, sondern an dem Gefühl, ernst genommen zu werden und hinreichend zu partizipieren. Ich frage mich, woher dieses Gefühl kommt. Ich habe das so nie empfunden. Mein Gott, jeder Bundestagsabgeordnete freut sich doch, wenn zu seinen öden Sprechstunden überhaupt einer kommt. Meiner Erfahrung nach kann man auch jeden anrufen. Dass dann am Ende nicht alles hinhaut, was sich der Einzelne so wünscht, das wiederum liegt dann in der Natur der Sache. Vermutlich liegt das aber auch an der ziemlich überhöhten Erwartungshaltung mancher Leute, was der Staat denn alles für sie tun soll.

  5. REPLY:

    Nein, man zieht sich nicht modisch an, weil die Sachen neu sind. Man kauft modische Sachen, weil sie einen Zeitgeist ausdrücken, an man naturgemäß ebenfalls partizipiert.

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