02.04.2012

An diesem Tisch sind wir uns vollkommen einig: Wir sind alle für das Betreuungsgeld. Die N., die schon auf vierzehn Wartelisten steht und unbedingt für den Oktober dieses Jahres einen Kitaplatz braucht, hält eine engagierte, kleine Rede zugunsten des Rechts jeder Mutter, ihr Kind zu Hause zu betreuen, zumal dann, wenn diese Mutter ohnehin keinen oder keinen so vergnüglichen Arbeitsplatz hat wie eine Unternehmensberaterin. Auch die B. ist ganz entschieden pro Betreuungsgeld und preist insbesondere die Aussicht auf das Fernbleiben verrohter Kindern schrecklicher Familien, die ihre leicht körperbehinderte Tochter bestimmt hänseln würden, und auch ich finde die Aussicht toll, aufgrund einer drastisch zurückgehenden Nachfrage nach Ganztagsbetreuungsplätzen nicht noch weitere Dutzende von Kitas aufsuchen zu müssen, um dort um einen Platz für Kind F. zu betteln.

Kollektiv bestellen wir noch eine Runde Tee und ein paar Kekse und erörtern die Frage, ob das Betreuungsgeld, wenn es denn kommt, auch die Kitas des Prenzlbergs entlasten würde, dessen Klientel seine ganz eigenen Probleme pflegen mag, aber so pleite, dass € 100,– unsere Mitbewerber für eine Kinderbetreuung dazu bringen würden, zuhause zu bleiben, sind die meisten nicht. Vielleicht – so wirft die N. ein – würde aber eine generelle Aufwertung der Hausfrauenrolle die eine oder andere möglicherweise von ihrem Job ohnehin schon ein wenig deprimierte Frau motivieren, sich gesellschaftliche Anerkennung über Kindererziehung zu holen. Die frischgebackene Hausfrau behält ihr Kind dann daheim und verbringt ihre Tage fortan damit, die Wohnung zu dekorieren, Marmelade zu kochen und legt sich, wenn ihr sehr langweilig wird, ein pseudoberufliches Hobby zu wie etwa das Nähen von Quilts oder Stricken von Babysachen, die sie dann über Dawanda oder auf einer eigenen Homepage vertreibt. Ihren Kitaplatz könnten wir dann haben.

Unsere Hoffnung, so sind wir uns einig, liegt also auf der CSU. Auf keinen Fall sollen sich diejenigen durchsetzen, die innerhalb der Koalition auf verbesserte Rentenansprüche hinwirken. Wir sind alle berufsständisch oder pruvat rentenversichert. Die Rente anderer Leute interessiert keinen an diesem Kaffeehaustisch. Nein, wir brauchen Kitaplätze, und wir appellieren an die Politiker der CSU: Setzen Sie sich durch! Boxen Sie das Schnapsgeld durch die Koalition! Zeigen Sie der FDP und den von der Leyens und so weiter, was eine Harke ist, und bleiben Sie standhaft.

Aber machen Sie schnell.

7 Gedanken zu „02.04.2012

  1. Wenn dieses Modell Schule machte, stünde dem gesellschaftlichen Endfrieden ohnehin nichts mehr im Wege. Dann bekämen Eltern auch Ausgleichsgeld dafür, ihr Kind nicht in staatliche Schulen zu schicken, sondern (Sie selbst haben ja bereits überzeugend dafür plädiert) in der heimischen Bibliothek zu bilden. Und später gäbe es eine weitere Bildungsprämie für das Meiden saatlicher Universitäten, um davon zum Beispiel auf Reisen zu gehen, in die Schule des Lebens. Mir erscheint das nur konsequent.

  2. REPLY:

    Ich finde das auch richtig gut. Überhaupt, man sollte viel mehr Nicht-Inanspruchnahmeprämien gewähren. Ich etwa war noch nie beim Arbeitsamt. Ich zahle aber seit über zehn Jahren da ein. Man könnte mir eine Prämie für ununterbrochene Berufstätigkeit gewähren. Dazu war mein Studienplatz verglichen mit Medizin oder irgendwelchen teuren Naturwissenschaften total billig. Da ist doch noch was fällig, oder meinen Sie nicht?

  3. REPLY:

    Ich teile diese Einschätzung, aber das Missverhältnis zwischen der Anzahl verfügbarer Kitaplätze und der Zahl der interessierten Kinder lässt mich trotzdem hoffen, dass möglichst viele andere Eltern den Verlockungen des Betruungsgeldes nicht widerstehen. Ich brauche dringend einen Platz für nächsten Februar, und das haut nur hin, wenn möglichst viele andere Leute ihre Kinder zu Hause erziehen. Wenn die die dann vor dem Fernseher parken, ist das schließlich nicht mein Problem.

  4. REPLY:

    Ich sehe das Dilemma. Ich habe mich bis jetzt – unter Hohn und Spott, da dank Nichtschwangerschaft und trotzdem nun Kleinstkleinchen im Arm, vieeel zu spät dran – in 14! Krippen (mittlerweile: pädagogisches Konzept? My ass!) beworben. Auch ich bräuchte einen Platz, da ich nächstes Jahr wieder arbeiten möchte. Zur Not muss eben eine Tagesmutter her. Für mich ist einfach der Ansatz des Betreuungsgeldes der falsche. Der Ausbau von Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren inkl. flexibler Betreuungszeiten wäre mir deutlich lieber.

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