Probleme, Probleme (über die man viel zu selten spricht)

„Besonders wichtig …“, hebe ich an, und die schwangere Kollegin nickt mir aufmerksam zu, „ist die Farbe.“

Das Fabrikat ist eigentlich keine große Sache: Du kaufst den Kinderwagen, mit dem die meisten deiner Freundinnen glücklich sind. Soweit ich das überschauen kann, gibt es da derzeit eigentlich nur zwei Fraktionen. Die einen kaufen Hespa, weil die so schön nostalgisch aussehen. Die anderen bugaboo, weil die so praktisch sind. Weitere Feldforschungen sind, meine ich, gar nicht nötig, denn warum von etwas abweichen, was sich offenbar bewährt?

Die Farbwahl wird aber vielfach total unterschätzt. Vergiss nicht (an dieser Stelle sehe ich die Kollegin nachdrücklich an), dass der Wagen ja nicht irgendwo herumsteht. Du wirst mit dem Wagen durch Mitte fahren. Du sitzt neben dem Wagen und trinkst Tee. Der Wagen steht also nicht für sich. Der Wagen muss zu dir passen wie deine Tasche.

Stellen wir uns also vor, du hast einen knallroten bugaboo. Du bist aber eher so der dezente Typ. Also ein hellgraues Strickkleid, Brillantstecker, eine sehr dezente Tasche, sagen wir: Libeskind, Rauhleder. Taupe, und da sitzt du dann, trinkst einen Zitronengrastee auf Eis, und neben dir steht dein bugaboo. Knallrot. Ich sage dir: Du verblasst völlig neben deinem Kinderwagen. Nicht genug, dass deine Mutter oder auch völlig fremde ältere Frauen auf einmal nur noch dein Kind sehen, und du dich schon ganz unsichtbar fühlst. Nun knallt schon dein Wagen mehr als du. Das darf nicht sein.

Auch das schlechthin Unpassende ist zu vermeiden. Bleiben wir bei dem knallroten Wagen. Oder nein: Nehmen wir Orange. Nun frage dich: Was passiert mit dem altrosa Kleid mit den Polkadots zu deinen Mary Janes in pistazie? Geht das? Rein rhetorische Frage: Das geht natürlich nicht. Ganz hart wird es bei gemusterten Wagen. Ich habe gehört, es gibt eine Missoni-Edition von bugaboo. Dass man das nur mit einem sehr speziellen Kleiderschrank machen kann, bedarf keiner Diskussion.

Nun denkt man ja, Schwarz gehe immer. Also so ein Pendant zum schwarzen Top. Oder zum kleinen Schwarzen. Aber ein schwarzer Kinderwagen wirkt doch irgendwie … also ich weiß nicht. Ein schwarzer Kinderwagen signalisiert nicht, du seiest ungewöhnlich stilsicher, sondern sieht eher so aus, als seiest du eine leicht gealterte Gothic-Braut, und in deinem Wagen liege nicht dein abgöttisch geliebtes Kind, sondern der kleine Vampir.

Aber auch dezente Farben können zum Problem werden. Nimm mich: Ich habe einen schokoladenbraunen Wagen mit beigefarbenem Verdeck. Ich kann also eigentlich nur braune Schuhe tragen. Ich habe ohnehin kaum Schuhe, insbesondere kaum flache Schuhe, aber braune, flache Schuhe habe ich besonders wenig, und so habe ich derzeit eigentlich immer dieselben Schuhe an und brauche sehr dringend neue.

Überdies geht mit dieser Kombi jetzt nur noch das seriöse Fach. Perlen und weiße Blusen, Barbourjacken und Taschen in Camel und Braun. Ich will mich nicht beschweren, aber ein klein bißchen einschränkend ist das schon.

Auswege aus diesem Dilemma gibt es eigentlich keine. Zwei Wagen sind zu teuer, außerdem hast du dann garantiert immer das Lieblingsspielzeug in dem anderen. Zwei Verdecke wären ein Anfang, aber ich wäre zum Wechseln zu faul und würde außerdem immer vergessen, welcher Wagen nun mir gehört und regelmäßig an fremden Wagen nesteln. Alle Berliner Mütter haben panische Angst vor Kinderwagendieben, da hätte man sofort die SoKo bugaboo auf dem Hals.

Du musst dich also entscheiden. Es führt kein Weg daran vorbei. Wähle sorgfältig, meine Liebe.

26 Gedanken zu „Probleme, Probleme (über die man viel zu selten spricht)

  1. Man macht sich ja doch zu wenig Vorstellungen. Irgendwie bin ich jetzt doch froh, nie in der Situation gewesen zu sein, über solche Dinge nachdenken zu müssen. Wo ich mich doch nur schwer entscheiden kann. Aber als Mann wird man da wohl auch nicht gefragt. (Zum Glück trage ich viel Schwarz und passe meist ganz gut zu begleitenden Taschen und Kleidern.)

  2. Für uns kam eine andere Farbe als Schwarz (ich verzichte auf den Klugscheissmodus von wegen Nichtfarbe und so) gar nicht in Frage. Bugaboo Cameleon All Black. Klare Linie, passend zu unseren Klamotten und superwendig. Nix Gothic, nix kleiner Vampir (obwohl ich als Kind ein großer Fan war). Aber hier sind auch graue Krabbeldecken, weiße Panton-Junior-Stühle, USM Haller und naturfarbenes Holzspielzeug im Einsatz. Farbenfroh wird es ganz von alleine, wenn erstmal Barbie und Prinzessin Lillifee hier eingezogen sind. Mir graut es jetzt schon….

  3. REPLY:

    Als Mann wird man nicht gefragt? Der Gatte hätte mir was gehustet. Ausserdem muss das Schiebeding ja auch größenverstellbar sein, somit lohnt es sich, auch die Herren probefahren zu lassen, gerade, wenn sie auch Elternzeit nehmen.

  4. wenn ich gewußt hätte wie wenig man so ein ding letztendlich benutzt hätte er im prinzip auch oliv-pink sein dürfen [gibt es von buge nicht so ’ne schreckliche kombi?]. was in dem beitrag elementar fehlt: der kinderwagen muss ja auch irgendwie und insbesondere auch zu den autos passen. bei zwei leichenwagen war knallrot [ich war nicht fan der ersten stunde, aber alkmaar war meister und rot im sensationellen zugehörigen angebot] da irgendwie ’ne gute wahl. machte sich auch äußerst gut auf den tristen winterfotos. aber wie gesagt, die rund 15 km die der wagen höchsten gefahren ist hätte ich den troll auch zusätzlich tragen können bzw. man hätte sich besser gleich den chariot oder vergleichbares geholt. aber so schlau ist man ja immer erst hinterher …

    b.t.w.: seit wann ist der buge denn praktisch? mit den barbierädchen komme ich ja nicht mal in die nähe eines strandes.

  5. REPLY:

    Wer will damit in die Nähe eines Strandes? Im Ernst: ich liebe dieses Ding. Keinen anderen mehr. Allerdings bin ich Stadtmensch und halte mich seltenst bis gar nicht mitten in der Pampa auf. An den Strand nehme ich generell keine Kinderwagen mit.

  6. REPLY:

    schon mal mit dem ding ding in ’ner mittelalterlichen innenstadt gewesen, aachen, oder sowas in der art? das geht garnicht. außerdem wohne ich an wald und fluss und fahre gerne zum meer [der troll wäre nach eigenem bekunden natürlich am liebsten immer da] das ist halt eine deutlich andere anforderung an die gerätschaft. außerdem kann der buge nix, was der easywalker nicht auch könnte. dafür aber einiges weniger. aber wie gesagt, beides überflüssig.

  7. REPLY:

    Ich wohne in einer Stadt, in der es so gut wie nur Stilaltbau und Kopfsteinpflaster gibt – der Buge fährt sich hier ganz prima. Auch komme ich schnell mit dem Ding in Auto, Bus, U-Bahn, S-Bahn & Co, an sämtlichen Supermartkassen problemos vorbei und durch den Park lustwandelt es sich auch wunderbar. Für mehr brauche ich ich nicht.

    Der Easywalker befällt mir vom Design überhaupt nicht, mir fehlt da die puristische Linie. Da ich nie vorhabe aufs Land (oder nur in die Nähe zu ziehen), passt das alles. Ohne Kiwa? Für mich undenkbar. Eine Manduca besitze ich zwar und trage auch relativ viel, aber ich knacke nicht mal die 1,60 cm und das Schleppen von fast 10 Kilo ist mir zu viel im Alltag.

    Und klar, jeder hat unterschiedliche Vorstellungen von Farbe, Können & Co. Frau Modeste hat meiner Meiung nach ganz recht: Die sorgfältige Auswahl – auch der Farbe – ist das A und O.

  8. REPLY:

    Den Cameleon habe ich auch, der ist toll. Überhaupt gibt es großartige Sachen. Wir konnten ja dem bloom fresco nicht widerstehen. Und den Kindersachen von petit bateau. Und, und, und. Großartige neue Konsumwelten, zumal dann, wenn Einkaufen für sich selbst derzeit eh keinen Spaß macht.

  9. REPLY:

    Dass ich hier nichts vom Auto schreibe, hat einen einfachen Grund: Wir haben keins. Ich fahre Rad, Taxi, BVG oder laufe. Insofern habe ich das Ding natürlich im Dauereinsatz, pro Woche 40, 50 km. Die Manduca nutze ich eher, wenn ich wie heute zum Arzt muss oder ins Museum gehe.

  10. REPLY:

    Bloom, Rasselfisch, Petit Bateau, Absorba, Vitra Junior…. ach… ganz wunderbar!
    Ich gehe davon aus, dass Sie den Wagen noch nicht zum Buggy umgebaut haben. Wenn es soweit ist, gibt es für den Cameleon tolle Sommer-Sitzauflagen in ganz unterschiedlichen Farben (wir haben ein fröhliches Grau gewählt) – die Kinder schwitzen auf der „puren“ Fläche arg. Die Dinger machen also Sinn und bringen ein bisschen Abwechslung.

  11. REPLY:

    der fresco ist auch so ’ne erfahrung. tolles gerät. irgendwie hatten wir uns aber gedacht, das ja kinder bis 35kg (oder so ähnlich) da rein passen, das ding also ’ne echt ansehnliche lebensdauer zum recht hohen preis gewährleistet. die „hohe lebensdauer“ endete irgendwann bei 12 kg und 2 jahren mit dem satz „niki jetzt groß ist, niki richtigen stuhl haben will!“. seitdem sitzt er auf einem erhöhten kinderstuhl von ikea, der aber nicht auf den ersten blick wie ein kinderstuhl aussieht (zumindest nicht für ihn). tja, so ist das. paßt aber in die regel, dass mit kindern die planwirtschaft kompletter nonsens ist, was auch täglich bewiesen wird …

    aber wie bei allen teuren käufen: wir haben vorher immer bei ebay geschaut, was der kram im verkauf bringt. und siehe da, alles was man teuer kauft bekommt man auch teuer verkauft (für geradezu unrealistische preise nah am neuwert), wohin gegen der ganze andere kram überhaupt nix mehr bringt. tröstlich irgendwie.

  12. REPLY:

    Das stimmt, die Sachen lassen sich auch teuer verkaufen. Ehrlich gesagt, haben wir da aber gar nicht so drauf geachtet. Mich nerven Verkäufe unendlich. Wir werden sowieso erstmal alles behalten, da wir nicht wissen, wie alt das nächste Kind sein wird, dass kommt. Wenn die Bude dann voll ist, wird verkauft, was nicht mehr gebraucht wird – oder an Neueltern im Bekanntenkreis verschenkt.

  13. ich bin …

    … hocherstaunt, dass ein eintrag, den ich als blanke ironie freudig belächelte, auf so intensive und anscheinend ernst gemeinte resonanz trifft.
    aber nein, ihr legt mich nicht rein!

  14. Schwarz, ich bin ganz entschieden für schwarz. War Pugsley Addams nicht ein liebreizendes Kind. Und so selbständig. 🙂

    Aber im Ernst: was ist mit uns allen eigentlich los, daß trivialste Entscheidungen ein Expertenwissen verlangen, das selbst Einstein erschüttert hätte. Wenn ich mir nebenan Don Alphonso angucke, der drei Dutzend Fahrräder hat und fortwährend von irgendeinem Herrn Shimano redet, von dem ich gar nicht wissen will, was er in seiner Jugend angestellt hat, dann packt mich das kalte Grauen. Was ich alles nicht weiß! So viele Dinge, die man nicht wissen muß. Sollten Sie es nicht ein bißchen ruhiger angehen lassen, Madame Modeste? Holy shit, es ist ein Kinderwagen und nicht die Wahl der richtigen Schuhfarbe.

  15. da kann ich ja von glück reden, daß ich nur wenig geld hatte – und somit nicht die qual der wahl.
    seinerzeit, mitte der 90er.

    [kinderwagen, blau, ca. 100dm – das kind hat es überlebt.]

    ___________________________

    dachte auch erst, der beitrag ist ironisch gemeint –
    aber hier steigt man ja mit „markendropping“ so richtig ein …

  16. grau, schwarz und wirklich nur ganz,ganz wenig rosa und das bei einem buben! – sie hätten hören sollen, mit welchen vorwürfen mich nicht etwa der kindsvater, sondern der kindsbruder wegen dieser der vorbesitzenden nachbarin zu verdankenden grundsätzlich mitteldezenten variante überschüttet hat. ihr problem ist absolut kein einzelfall! und ich besitze garantiert keine rosa sachen. bis auf das eine, kleine, extra für mich geschneiderte designerkostüm halt.

  17. REPLY:

    Das gültet nicht!!! Ich habe gerade im Hinterstübchen zeitgleich (und ironiefrei!) folgenden Kommentar vorbereitet:

    Ich stelle fest, dass im Stadtbild noch zu wenig auf diese Dinge geachtet wird und begrüße daher diesen investigativen Beitrag von Madame Modeste.

    P.S.
    Okay, Sie waren schneller, weil ich Barbie (hilfsbereit wie ich nun einmal bin) noch fix einen Sessel zum Ausruhen bereitstellen musste!

  18. REPLY:

    Das illustriert ein anderes Thema hier im Blog: Während die Frauen im Hintergrund noch vorbereiten, haben sich die Männer schon in den Vordergrund geschoben 😉

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