Die letzte Zigarette … warten Sie: Es muss im Sommer 2011 gewesen sein. Ich saß auf dem Helmholtzplatz, vor dem Vin Pearl, wo man wirklich ganz gut essen kann, und trank irgendwas mit Hibiskus und Wodka. Mir gegenüber saß der U. und sprach mehrere Stunden über seinen Beruf.
Es war schon ziemlich spät. Der Himmel hing schwer, warm und feucht in die Bäume. Die Erde dampfte. An den anderen Tischen saßen ein paar Paare, zwei Mädchen zeigten sich gegenseitig Bilder auf ihren Handys, und ich dachte darüber nach, was eigentlich aus den Bettlern geworden ist, die früher immer hier waren und dann irgendwann nicht mehr.
Irgendwann brach ich auf. Der U. sprach immer noch, als ich aufstand, er sprach, als ich mein Rad aufschloss, und als er 50 Euro auf den Tisch warf, sprach er gleichfalls einfach weiter.
„Hast du noch eine Zigarette für mich?“, unterbrach ich ihn, und er nickte. Der U. rauchte eigentlich nicht, nur ab und zu und sozusagen inoffiziell, und dass er trotzdem immer Zigaretten dabei hatte, lag vermutlich an seiner Abneigung daran, irgendwelche Leute um etwas zu bitten. Mir kam das entgegen. Ich rauchte schon damals eigentlich auch nicht mehr.
Ich glaube, er war schon wieder bei seinem Job, als er in seiner Tasche nach einem zerknüllten Päckchen P&S suchte, eine einzelne Zigarette aus dem zerknautschten Papier fingerte, sie sich zwischen die Lippen steckte, anzündete und ein-, zweimal langsam zog. Für vielleicht zehn Sekunden war es still. „Danke.“, sagte ich, drehte mich weg und schob mein Rad langsam die Dunckerstraße abwärts Richtung Norden.
Zwei Tage später wusste ich vom F. und saß überwältigt und benommen auf einer Hochzeit in Sachsen-Anhalt. Natürlich rauchte ich nicht. Auch als der F. dann da war, rauchte ich nicht eine einzige Zigarette. Ich bin Nichtraucherin, sage ich inzwischen ohne die Einschränkungen, mit denen ich früher meine späteren Niederlagen garnierte, doch gestern nacht, gestern nacht in der Küche der Frau Kitty, angelehnt an die Küchenzeile und im Gespräch mit dem gloriosen Monsieur Glamourdick, da war ich so nah dran: Fast schon die Rechte ausgestreckt, fast schon die Lippen geöffnet, fast schon die Lunge voll mit trägem, weißen Rauch, und dann doch. Doch nicht. Doch so nah dran.
Das klingt nach einem U., den ich auch kenne.
Im übrigens sehe ich es nicht als Niederlage an, im richtigen Moment eine Zigarette zu rauchen. Es gibt diese Momente.
Es wird diese Momente immer wieder einmal geben, denn Rauchen macht halt auch Spaß. Doch diese Momente gehen auch wieder schnell vorüber, die Kunst ist nur, sie vorübergehen zu lassen, ohne nachzugeben. In wenigen Tagen ist meine letzte Zigarette 20 Jahre her – und darüber bin ich sehr froh.
REPLY:
Ms Arbo, Sie haben mit 9 schon geraucht!!?
Ach, ich habe so gern geraucht.
es gibt
die, die das können, einfach so, aufhören. weil sie es wollen, des kindes wegen oder eben weil sie es unvernünftig finden. ich finde das toll, weil ich nicht dazu gehöre. es scheint nicht einmal ein genetisches problem (denn meine schwester ist so eine, die einmal raucht und dann wieder ewig nicht), sondern eine kopfsache zu sein. letztendlich meine ich, jeder soll das für sich entscheiden, ohne äusseren druck. (nicht-rauchen ist heute so modern wie in den siebzigern das rauchen. man sieht es in den filmen. wo früher jeder, mindestens aber die coolen säue, qualmte wie ein schlot, sind es heute nur die bösen und verbrecher)ich altes eisen werbe für toleranz gegenüber uns alten, coolen säuen. 😉
REPLY:
Ob jemand nikotinabhängig wird – Gelegenheitsraucher sind die, die es nicht werden -, ist tatsächlich genetisch bedingt. Aber auch die Nikotinsucht lässt sich überwinden, der Entzug geht sogar relativ schnell. Danach ist es eine reine Kopfsache. Man wird eben nie wieder Nichtraucher, sondern bleibt immer Ex-Raucher.
REPLY:
Genau. Und mit 12 schon wieder aufgehört.
Die ersten drei Jahre war ich noch sehr rückfallgefährdet; und damals war das Rauchen noch überall gang und gäbe und weder verpönt noch gar verboten.
Meine letzte Zigarette habe ich am 15. Januar 1989 geraucht und noch heute zuckt es mir noch manchmal in den Fingern, z.B. wenn ich einen Bogartfilm angucke!
Aber das Durchhalten hat sich gelohnt, die Lebensqualität ist ohne Nikotinabhängigkeit eine Höhere.
Mein Quantum war übrigens eine Stange Camel ohne Filter pro Woche!