Erinnern Sie sich an Konrad Lorenz? Den mit den Graugänsen? Der sich neben die Grauganseier gestellt hat, wenn die Küken gerade schlüpften, und dann die nächsten Wochen beständig ein Küken an den Hacken hatte, das dachte, der Herr Professor Lorenz sei die liebe Frau Mama. Damit wollte er die Bedeutung der Prägung im zarten Alter beweisen.
Der F. – um auf den eigentlichen Gegenstand dieses Beitrags zu sprechen zu kommen – ist zwar nicht soeben, sondern vielmehr schon im Januar 2012 geschlüpft, und dass ich, und nicht irgendwelche dahergelaufenen Professoren als seine Mama fungieren, ist ihm klar. Gleichwohl fürchte ich die nach wie vor bestehende, gerade jetzt überaus intensive Prägbarkeit seines Gehirns, die ihn beständig dazu bringt, noch den größten Depp im Park zu imitieren, der seine Mütze mit dem Schirm nach hinten trägt oder seine Hosenbeine krempelt. Eindrücke, die der F. jetzt empfängt, fürchte ich, prägen sein ganzes Leben, zumindest aber das der nächsten Jahre, und ich habe dann den Salat. Sie haben es sicherlich bemerkt: Ich spreche vom Fußball.
Wie auch Ihnen schwerlich entgangen sein wird, beginnt schon in wenigen Tagen die Weltmeisterschaft der Fußballspieler, und das gesamte öffentliche Leben trieft förmlich vor Fußball. Bei REWE entkommt man kaum den Fußballkärtchen sammelnden Kindern. In der Kita hat ein guter Teil der männlichen Jugend ausschließlich Fußball-T-Shirts an. Ungefähr acht von zehn Menschen, die man kennt, sprechen über Geheimtipps, Wettrunden, Aufstellungen und spekulieren über den Turnierverlauf, und so ziemlich jede Einladung, die überhaupt ausgesprochen wird, bezieht sich auf gemeinsame Fernsehabende. Natürlich gibt es Fußball.
Der F. ist von dem ganzen Gerede schon jetzt völlig kirre. Vorletzte Woche wollte er auf einmal ein Fußball-T-Shirt, und zwar das von „Ssseisteiger“. Wenn er irgendwo einen Ball sieht, brüllt er: Tor! Er bolzt seit kurzem in der Kita und hat seither chronische Schrammen auf den Knien. Er hat naturgemäß keine Ahnung, aber genug Begeisterung für drei.
Nun wird sich auch für den F. das eine oder andere Fußballspiel in den nächsten Wochen kaum vermeiden lassen. Der J. ist nämlich sozusagen interessiert genug, und außerdem entkommt man der ganzen Sache ja eh nicht. Dann kann man auch mitmachen. Der Fußballzuschauerrausch wird daher vorhersehbarerweise auch den F. erfassen, und in sein weiches, bildbares Hirn wird sich eine fußballförmige Höhlung dauerhaft einprägen. Wie bei den Graugänsen. Nur nicht mit Konrad Lorenz, sondern mit einem riesigen Ball.
Lebenslänglich wird, kommt die Rede auf Fußball, den F. dann ein kleiner Endorphinstoß erfassen. Wie mies es ihm auch immer ergehen wird, beim Reden über die Bundesliga wird er munter. Stets, wenn der Ball rollt, umgibt ihn der Sommer und die gute Laune seiner zweijährigen Existenz im Juni 2014 auf dem Schoß seines Papas. Unsummen werde ich deswegen ausgeben für Panini-Bildchen, und – kommen wir zum Kern des Problems – Samstag für Samstag zehn Jahre lang oder so am Rande irgendwelcher Sportplätze in abgelegenen Teilen Berlins im Nieselregen stehen, während der F. seine Fußballprägung auslebt, die er sich einfangen wird in den nächsten Wochen. Fluchen werde ich dann, gähnen, weil ich viel zu früh aufgestanden sein werde, mich schrecklich langweilen, schlechten Kaffee trinken, und mich mit Bitterkeit zurückerinnern an den sonnigen, sommerlichen, harmlos daherkommenden Beginn dieser vermutlich lebenslangen Neigung, den ersten Blick nach dem Schlüpfen sozusagen am nächsten Montag um sechs.
Das Problem mit den verregneten Samstagnachmittagen am Rande eines Fußballfelds lässt sich ganz leicht lösen: Die Aufgabe übernimmt einfach der J. Der ist schließlich interessiert genug an Fußball.
Sapristi. Dass ich darauf nicht gekommen bin.
Gern geschehen. Sie können derweil die URLs der verlinkten Blogs aktualisieren, von denen führen ein paar zu veralteten Adressen.
Sind nicht auch bald wieder olympische Spiele, vielleicht entdeckt der F. dort sein Herz für die Tartanbahn oder das Rudern im Achter? Sonst bliebe nur das Haus in der Einöde übrig, aber auch dort mag es noch vom Gipfel schallen: Tor.
Oder Synchronschwimmen. Und dann stehe ich da am Rande des Beckens.
Synchronschwimmen ist kein Sport!
Synchronschwimmen ist doch quasi Ballett, da führt bestimmt eine Hintertür elegant in die Oper…
Ich stelle mir gerade Schwanensee in Synchronschwimmen vor.
„und – kommen wir zum Kern des Problems – Samstag für Samstag zehn Jahre lang oder so am Rande irgendwelcher Sportplätze in abgelegenen Teilen Berlins im Nieselregen stehen, während der F. seine Fußballprägung auslebt..“
Kann leider gut sein, wir mussten mit unserem Kleinen da durch, 10 Jahre lang auf Fußballpätzen und so. Wir haben dann versucht ihn mit 15 Jahren auf Windsurfen umzuprägen, hat teilweise funktioniert, aber nur als Nebenhobby. Das war immerhin schön im Urlaub mit ihm an Nord- oder Ostsee.
Da hilft nur totaler WM Boykott, gar nicht so leicht.
Oje. Allein im Umkreis von 200 Metern rund um die Wohnung gibt es, wenn ich richtig gezählt habe, drei Restaurants und Bars, die Fußball zeigen. das wird schwer.
Fußball ist ein toller Sport!
Stellen Sie sich bitte vor der ‚junge Mann‘ entdeckt seine Leidenschaft für Golf. Sie dürften nicht einfach so am Rand stehen, Sie müssten immer mitlaufen. So ein Golfplatz ist mächtig groß.
Schrecklich öde. Aber das kann der J. machen. Der spielt, ich nicht.