Montag, 20. Juli

Hah!, trumpfe ich auf. Da habe ich auch was in petto. Leider nicht selbsterlebt, sondern von unserem Babysitter, der A.. Ich erlebe ja quasi nichts mehr, sondern lebe eigentlich nur noch von Anekdotenfremdbetankung. So ist das nämlich im Alter. Ich war deswegen auch schon eher Jahre als Monate nicht mehr bei Performances, weil ich mich da nie so besonders gut amüsiert habe, und seit ich nicht mehr so viel Zeit haben, natürlich die Ereignisse als erste weglasse, auf die ich eh nicht so viel Lust habe. Also Bilder ja, Skulpturen vielleicht. Performances nein.

Bei F.s Babysitter sieht das natürlich noch anders aus. Die ist nämlich Studentin, kinderlos,  und hat deswegen noch die Kapazitäten, sich bei einer Performance hinzusetzen, wie sich später herausstellt: Mitten auf die Bühne, und dann zuzuschauen, wie jemand sich in eine Zwangsjacke verpacken lässt, um sich dann auszuziehen.

Sie meinen, das klingt nicht originell? Das fand sie auch, und dass er sich dann auszog, machte die Sache auch nicht besser. Nackt, brüllend: Fehlte noch Blut. Das hing zu diesem Zeitpunkt noch in einer Blase über der Bühne, und als der Nackte die Blase schreiend aufschlitzte, ergoß sich eine ganze Menge Schweineblut auf das arme Mädchen. Das war natürlich nicht so schön. Vor ihr hampelte der Künstler herum, auch voller Blut, und außerdem trug er schwarze Kerzen auf dem Kopf, und das Wachs lief ihm über das Gesicht und verklebte ihm die Haare.

Das Blut roch total ekelhaft, und sie verschwand noch vor Ende der Performance. Hinter ihr kreischte der Künstler noch ein wenig herum. Sie wusch sich notdürftig ab, steckte alles, was sie trug, in die Waschmaschine, fluchte dabei nicht ganz wenig, und verspürte trotz eines wirklich hohen Grades an Grundgutmütigkeit doch eine Prise, also quasi einen Teelöffel, Genugtuung, als sie hörte, dass der Künstler noch in derselben Nacht ein Krankenhaus aufsuchen musste, weil ihm größere Mengen des schwarzen Wachses in die Ohren gelaufen waren. Das ist, wie man hört, nämlich für diese nicht so gut.

7 Gedanken zu „Montag, 20. Juli

  1. Die Blogfrequenz erreicht ja nie gesehene Höhen!
    Anekdotenfremdbetankung. Ich mag ja zusammengesetzte Substantive. Besonders lange. Leider fummeln ja Menschen mit wenig Kondition in Wörter wie Tonnentaschenfederkernmatratze überflüssige Bindestriche.
    Die Kunst die die A. da schildert klingt für mich nach Huckleberry Finn, der Herzog und der König. Der Künstler sollte nicht nur besser auf schwarzes Wachs, sondern auch auf Teer und Federn achten.

    1. Ja, ich mag mal wieder mehr schreiben, und das geht nur, wenn ich fast täglich schreibe, auch wenn es eigentlich gar nichts zu erzählen gibt. Es muss halt fließen.

  2. Kultur für Eltern:
    – performances kann man auch selbst in der Küche machen, wenn das Kind frei mit einem Löffel Spinat impovisieren darf
    – Theater: es gibt doch super Vorstellungen an der Kasse von Supermärkten mit viel Geschrei von Kleinkindern
    – Kino: Youtube Filmchen und Sendung mit der Maus im TV, das muss reichen
    – Musik: Klavierspiel zuhause, Youtube-Musikfilme und später dann Blockflöte des Kindes, mehr geht nun mal nicht
    – Literaturlesungen: abends im Bett mit Unterstützung von Streichhölzern, damit die Augen nicht zufallen

    Man kann also nicht sagen, dass Eltern nicht mehr am kulturellen Leben teilnehmen würden!

    1. Das klingt ganz schön trist. Ich hoffe, so geht das nicht aus. Immerhin, morgen haben wir einen Babysitter und gehen mal wieder zu zweit aus. Mit oder ohne Kultur.

  3. Hallo,

    musste ich eben lachen!!!!!!!!!!!!
    Erstens, super geil geschrieben!!!! Und zweitens bin ich ja von der Sorte Mensch, die sich sowas bildlich vorzustellen vermag, was dem oben beschriebenen Szenario noch den letzten Rest gab.

    Sorry, aber wie geil ist das denn bitte?! Wahnsinn…. schade das ich sowas nicht erlebe, also nicht persönlich, sondern keine Leute kenne, die sich auf so einen Blödsinn einlassen.

    Wünsche ein schönes Wochenende und ich komme ganz sicher wieder! 🙂

    Bis bald
    Judith

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