Kanonen

Es gibt doch gar keine Lieder über Kanonen, sagt der F., und schaut mich auffordernd an. Das ist ein Spiel zwischen uns. Er nennt irgendwas, und ich muss sagen, ob es ein Lied dazu gibt. Es gibt Lieder über fast alles.

Über Kanonen, sage ich, gibt es auch Lieder. Es gibt ganz viele Soldaten- und Landkknechtslieder, aber die kenne ich alle nicht. Ich kenne nur einen Kanonensong, und den singe ich ihm leise vor in unserem dunklen Schlafzimmer, in dem der F. wach mit offenen Augen an die dunkle Decke schaut.

Das hast du dir ausgedacht, sagt der F., weil ich das manchmal mache, aber das weise ich von mir und erzähle ihm von Bertolt Brecht, vom Theater am Schiffbauerdamm, von Helene Weigel, von Berlin und Amerika und von der Dreigroschenoper. Leise, weil ich sehr schlecht singe, singe ich ihm noch das Lied von der Seeräuberjenny vor, und bevor noch der reitende Bote des Königs kommt, fallen dem F. die Augen zu.

4 Gedanken zu „Kanonen

  1. Wunderbar!So lange nicht gehört, überhaupt die Dreigroschenoper, wie habe ich da immer mitgefiebert. Mein Kanonenlied ist auf ewig und immer Fritz Löhne-Beda’s „Rosa, wir fahr’n nach Lodz“, dass leider so ganz und gar durch eine grässliche Bearbeitung von Vicky Leandros verdorben wurde.

  2. Es gibt alles. Das „Neue Liederbuch für Artilleristen“ von 1893 enthält offenbar fast ausschließlich Kanonenlieder.

    „Das Feuerrohr aus Erz gegossen“
    „Artillerie mit schwarzem Kragen“

    Quelle: Urte Evert, Die Eisenbraut: Symbolgeschichte der militärischen Waffe von 1700 bis 194

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