Der kinderlose Mittwoch

Am Morgen wartet das Taxi vor der Tür und fährt mich nach Tegel. Es ist früh, sehr früh, und ich bin noch nicht ganz wach. Als Berlin unter mir kleiner wird, immer kleiner und schließlich unter Wolken verschwindet, fallen mir für einen Moment die Augen zu. Ich habe heute nach von einem weißen Haus geträumt, in das ich einziehen wollte, obwohl ich im Wachzustand kaum etwas so abschreckend finde wie ein eigenes Haus. Es gab aber Schwäne dort, einen riesigen Nussbaum und die Zweige einer Weide hingen in spiegelndes Wasser.

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Neun Stunden später bin ich wieder in Berlin. Ich bin inzwischen sehr solide übermüdet, am Rande dieses Stadiums der Müdigkeit, in dem die ganze Welt sonderbar illuminiert wirkt, so ein wenig zu sehr gesättigte Farben, dafür alle Töne und Stimmen leicht verrauscht. Wenn ich die Augen schließe, drifte ich weg, deswegen halte ich mich wach und höre dem Taxifahrer zu, der schimpft, dass in Berlin nur noch Ausländer genug Geld dafür hätten, Taxi zu fahren. Überhaupt würde alles immer schlimmer, deswegen würden auch immer mehr Leute die AfD wählen. Mit den Flüchtlingen hätte das gar nichts zu tun, behauptet der Taxifahrer, nur mit Angela Merkel, die endlich zurücktreten sollte, damit alles wieder besser wird und auch der kleine Mann wieder so viel Geld in der Tasche hätte, dass er es sich leisten könnte, abends mal einen drauf zu machen und mit dem Taxi heimzufahren.

Ich bin zu müde, um zu widersprechen, heute und überhaupt. Ich schweige angeekelt und starre aus dem Fenster und überlege, wann die selbstfahrenden Autos wohl endlich so weit sind, dass sie mich schweigend durch Berlin fahren, aber vermutlich vermieten die Taxiunternehmen die Fahrzeit dann für Werbung, und ich muss mir die ganze Zeit Werbung anhören, die natürlich personalisiert sein wird und auf allem fußt, was ich jemals im Internet nachgeschaut habe.

Zu den beworbenen Waren und Dienstleistungen wird dann in vielen Jahren sicherlich auch das natürlich großartige künftige Spätwerk Christian Krachts gehören. Der ist dann vielleicht siebzig. Und ich bin eine ältere Dame, die im selbstfahrenden Taxi sitzt und Christian Krachts toller Stimme zuhört, der einen kurzen Auszug aus einem Roman vorlesen wird. Das Taxi wird mich zur Kracht-Lesung fahren, die ganz so wie heute im Deutschen Theater stattfinden kann und grandios sein wird. Nur bessere Plätze hätte ich dann gern und nicht in Reihe 15 direkt an der Säule.

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