Der F. gräbt seit 20 Minuten ein Riesenloch in den Sand. Er wirkt sehr konzentriert, möglicherweise denkt er darüber nach, ob er den Erdkern noch vorm Abendessen erreicht. Immerhin bemerkt er so auch die Strandverkäufer nicht, die mit Obst, Eis oder Getränken über den Strand laufen. Ich könnte mir eine Kokosnuss kaufen, überlege ich, grabe meine Füße in den Sand und lese weiter. Sanft streichen die Schatten der Palmen über den Strand.
Es ist nicht voll. Es ist Hauptsaison, aber Hua Hin scheint nicht ausgebucht zu sein. Es mag sein, dass das im Süden anders ist, aber hier sind nicht alle Liegen vor den Hotels belegt, und dort, wo wir unsere Handtücher ausgebreitet haben, ist um jede bunte Insel aus Bambus, Handtüchern und bunten Taschen viel, viel Platz.
Ein paar Meter neben uns sitzt ein Paar. Er ist ein Berg von einem Mann, rotgesichtig, sicherlich mindestens 70. Spärlich die Haare auf dem Kopf, dafür wuchern auf seinem gesamten Oberkörper fusselige, weiße Haare. Er ist tätowiert, aber den Schriftzug auf seinem Arm kann ich nicht erkennen. Auf seinem Handtuch steht „Route 66“.
Seine Begleitung ist Thai. Sie ist nicht mehr jung, aber deutlich jünger als er, vielleicht Mitte 50, mit langen Haaren, einem bunten Kleid und großen, glitzernden Kreolen. Sie ist maximal 1,50 groß, sehr zierlich, und die Vorstellung ist nicht abwegig, dass er ungefähr dreimal so viel wiegt wie sie. Er liegt auf der Decke und trinkt Bier. Sie wieselt über den ganzen Strand, kauft Obst, bringt ihm eine weitere Bierdose, die sie auch noch für ihn öffnet, drückt ihm einen Maiskolben und Eis in die Hand, und hört ihm zu, der unaufhörlich auf sie einbrabbelt.
Huh, denke ich und betrachte den fetten Kerl mit schlecht verhohlener Abneigung. Noch so einer, der nach Thailand fährt, um sich hier gegen Geld von Frauen bedienen zu lassen, bei denen er daheim nicht den Hauch einer Chance hätte, und dann vermutlich auch noch im Internet schwadroniert, dass in Asien die Frauen noch wüssten, was ein Mann verdient. Ich war mal Referendarin in Thailand, das ist lange her, aber die Geschichten, die ich damals gehört habe, habe ich nicht vergessen. Solche Paare sieht man viele hier. Ich wende mich ab.
Am späten Nachmittag leert sich der Strand. Auch der F. und ich packen unsere Sachen. Wir wollen auf den Nachtmarkt, etwas essen und der F. verlangt ein Schwimmtier. Als wir gehen, kommen wir an dem dicken Mann und der Thaifrau vorbei. Gerade als wir vorbeischlendern, klingelt sein Telefon. Er geht ran und hält ihr das Handy mit seinen roten, riesigen Pranken ans Ohr.
„Ei, isch da mein Süsserle! Sag was zur Oma!“, schreit die Frau begeistert in das Gerät, auf dem ein Kind erscheint, das unkoordiniert, aber euphorisch winkt, und dann hält sie das Handy so vor sich und den dicken Mann, dass das Enkelkind beide sehen kann, beide strahlen und winken, und ich schleiche mit dem F. an der Hand leicht betreten von dannen.
Eigentlich doch fast ein Happy End.
Schönen Urlaub und Guten Appetit.
Wir sind gerade in der Nähe. Sonst leben wir seit einiger Zeit in China. Wir beobachten Ähnliches. Oft scheinen die Paare glücklich, manchmal nicht so. Wie wir auch. Viel Vergnügen mit dem F., dem Beobachten, dem Schreiben! Bin sehr gespannt auf Ihre nächsten Geschichten…
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Gerne gelesen
Wer hätte das gedacht?
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Schön!
Und schönen Urlaub!
Kenne aus der Schule meiner Tochter einen Vater (Deutscher), der mit einer Thailänderin verheiratet ist. Der meinte mal zu mir, wenn er für jeden blöden Spruch und jeden schiefen Blick zehn Euro bekäme, bräuchte er nicht mehr arbeiten zu gehen.
Hatte bei meinem (kurzen) Aufenthalt dort ganz ähnliche Gefühle und Erlebnisse: Beim Kennenlernen und in den Einzelfällen gibt es für jedes dieser Paare eine Geschichte mit dem Ende, dass beide miteinander viel glücklicher sind als ohne einander. Auch mein Vater hat eine solche (sehr beeindruckende) Geschichte. Aber diesem Wissen zum Trotz jedes Mal beim ersten Anblick ein merkwürdiges Gefühl.