Mein Affe

Von mir aus, sage ich und der F. jubelt. Wir fahren also zum Affentempel Khao Takiab.

Als wir aus dem Wagen steigen, hängen die Affen schon von den Bäumen. Einer springt auf die Motorhaube. Einer sitzt auf dem Außenspiegel. Einer, ein kleiner, zierlicher Makake, schaut mich direkt an und folgt uns. Wir steigen die Treppen hinauf zum Chedi. Tief unter uns liegt die weite Bucht, gesäumt von weißen Türmen, Zikkuraten der Gastlichkeit mit ausladenden Balkonen. Das Meer ist heute fast weiß.

Als wir die Treppen hinuntersteigen, folgt uns der kleine Makake. Leider habe ich nichts zu Essen für ihn, er sieht dünn aus, aber vielleicht ist er nur auf diese jugendliche Weise dünn, wie auch der sechsjährige F. dünn ist, der sich seinen ganzen herrlichen Kinderspeck abgerannt und abgeschwommen und abgesprungen hat. „Wer bist du?“, frage ich den kleinen Affen, weil er mich so anschaut, als würde er gefragt werden wollen, und deswegen wundere ich mich gar nicht, als er antwortet. Er heiße Kwam, behauptet er, und der F. stellt uns vor.

„Warum kannst du sprechen?“, frage ich Kwam, aber diese Frage, lerne ich, ist sehr, sehr beleidigend. Alle Affen können sprechen, sie sprechen nur nicht mit jedem, seit der Sache mit Affe Rotpeter, die bei allen anderen Affen einen sehr ungünstigen Eindruck hinterlassen habe, höre ich. Eine solche Karriere sei für die jüngere Affengeneration völlig unattraktiv. Aber ich habe Glück. Ein Affenglück, sagt Kwam, und dann setzt er sich neben den F., als wir fahren.

In unserer Wohnung stelle ich Kwam erst einmal unter die Dusche. Er ist schrecklich verlaust, und ich schreibe Entlausungsmittel auf meinen Einkaufszettel. Kwam stört das überhaupt nicht. Er tobt mit dem F. durch die Wohnung, singt mit ihm lustige Lieder, isst ein Pfund Weintrauben, zwei Mangos und einen Bund kleine, sehr süße Bananen, und dann lässt er sich von dem F. Witze erzählen, bis sich beide die Bäuche halten vor Lachen. Der F. gibt dem Affen sogar von seinen Rote-Bohnen-Brötchen ab, und das ist eine sehr seltene Ehre.

Beim Abendessen im Chef Cha nebenan essen der F. und der Affe um die Wette Reis und Huhn mit Thaibasilikum und Cashewnüssen, Papayasalat und Kokoseis. Der Affe macht die Leute an den Nachbartischen nach, der F. lacht herzhaft und spricht fast nur mit Kwam. Nach Berlin kommt er aber nicht mit, sage ich dem F. heimlich auf dem kurzen Heimweg, aber das bringt Kwam und den F. dermaßen auf, dass ich ankündige, es mir nochmal zu überlegen, wenn Kwam seinen Flug selbst bezahlt.

Als der F. schlafen geht, rollt sich Kwam auf der gepolsterten Bank am Fußende zusammen. Gute Nacht, Kwam, sagt der F. und beschreibt mir ganz genau, wie Kwam aussieht, wenn er schläft, und was er träumt und wie sehr er sich danach sehnt, mit ihm nach Berlin zu fahren und dort in den Bäumen zu schaukeln.

6 Gedanken zu „Mein Affe

  1. Pingback: herrpaul_
    1. Danke! An dieser Stelle auch ein Kompliment zurück: Ich mag das gute, alte Tagebuchbloggen sehr, diese Einblicke in das Leben anderer Menschen, und gerade bei Ihnen lese ich mit einer Mischung aus Schauder (OMG, drei unter drei!) und Entzücken immer gern, wie es wäre, hätten wir nicht nur den lustigen F

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