Törtchen

Sie glänzten schokoladenbraun wie lackiert. Sie waren kreisrund, vielleicht vier Zentimeter hoch, bestäubt mit essbarem Glimmer, und obendrauf lag ein kleiner Weihnachtsbaum aus heller Creme. Sie stammten aus der überaus empfehlenswerten Patisserie Jubel, und ich hatte sie am 22. vorbestellt und am 23. abgeholt. In einer hellbraunen Schachtel trug ich sie vorsichtig nach Hause.

Was soll ich lang erzählen: Die Törtchen standen in der Loggia auf einem Hocker. Am selben Tag nachmittags ging Sohn F. in die Loggia, nahm die Schachtel hoch und kam damit in die Küche. Schwenkte die Schachtel, hielt sie hochkant dem geschätzten Gefährten entgegen und fragte laut, was denn in der Schachtel sei.

Also war. Mit überdeutlicher Betonung auf dem Präteritum.

Als ich kam, brach ich fast in Tränen aus. Der geschätzte Gefährte aß das, was noch übrig war. Der F. heulte. Ich rief meine Mutter an und verfluchte die Unfähigkeit meines Sechsjährigen, unbekannte Schachteln einfach dort zu lassen, wo sie sind, und blätterte in Kochbüchern. Man kann ja eine Menge auch noch recht kurzfristig machen. Aber diese Törtchen kann ich nicht mal, wenn ich sehr, sehr, sehr viel Zeit hätte.

Der J. war dann am 24. vormittags im italienischen Supermarkt und kaufte eine Riesenportion Tiramisu, die okay war, aber eben eine Tiramisu und kein Kunstwerk. Und als dann am 24. ein neuer Christbaumständer beschafft (jaja, mal sehen, wo der alte wieder auftaucht), der Baum geschmückt, die Freunde eingetroffen, die Bescherung abgeschlossen und zwei Gänge gegessen waren, löffelte ich entschlossen die Fabriktiramisu aus und nahm mir vor, direkt nach der Jubel-Weihnachtspause das allerschönste Törtchen zu kaufen und vor Ort ganz allein zu verzehren.

3 Gedanken zu „Törtchen

  1. In diesem Alter erreicht die Vorfreude ja noch ein Ausmaß das es praktisch unmöglich macht ungeöffnete, unbekannte Schachteln zu ignorieren. Wir mussten damals das Regime des Adventskalenders verändern weil der Filius zu nachtschlafender Zeit das Türchen des Tages öffnen wollte und der Schule nicht die nötige Aufmerksamkeit widmen konnte.
    Ich hoffe die Niederschrift konnte den Ärger ein wenig verrauchen lassen. Die Beispiele auf der Website machen diesen aber auch verständlich.
    Ich hätte aber auch den Löffel über den Trümmern geschwungen.
    Was solls…

  2. Wer Törtchen auf einem Hocker stehen lässt und sie dort vergisst, muss sich nicht wundern, wenn z.B. die Katze des Hauses auch mal wissen will, was sich eigentlich in der Schachtel befindet.

  3. Wenn kindliche Neugier und Vorfreude auf unbekannte Schachteln treffen – und gerade noch an Weihnachten – ist das Ende vorhersehbar. Leider.
    Ein Törtchen ganz allein und ungestört zu verzehren, ist hingegen zu jeder Jahreszeit eine ausgezeichnete Idee.

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