Januar
Soviel Freiheit hatte ich zuletzt mit Ende 20. Da war ich Doktorandin, wälzte mich in lauter lustigen Dramen, hatte nicht so besonders viel zu tun, und stiftete Unruhe unter den Dächern der Stadt. Ungefähr so sieht es auch jetzt aus: Ich habe nach Jahren wieder einmal richtig viel frei. Das alte Leben ist endlich vorbei, das neue noch nicht losgegangen, und so treffe ich fast täglich alte und neue Freunde, esse und schreibe. Entwerfe großartige Pläne und verwerfe sie wieder und schmiede neue, und außerdem fahre ich einfach so zum Spaß fürchterlich viel durch die Republik. Köln, Bielefeld, Hamburg, Hannover, Leipzig: Ich lerne wieder zu schlendern, nehme mir Zeit für lange Gespräche in Cafés, und auf einmal fallen mir sogar wieder Freunde und Freundinnen ein, an die ich ewig nicht gedacht habe, und rufe sie an, die sich dazu noch alle freuen, und wenn ich morgens in den Spiegel schaue, dann sehe ich eine ältere Version meines ich mit 25 und nicht mehr eine Fremde.
Februar
Das Semester ist zuende und ich breche auf: Im Sommer wird der F. eingeschult werden. Das ist die letzte Gelegenheit. Unter mir wird Berlin kleiner und kleiner, verschwindet unter kalten Wolken, und als wir in Dubai zwischenlanden, kann ich die Sonne schon sehen, die dieses Jahr mir mehr gehört als jedem sonst.
In Hua Hin haben wir eine Wohnung gemietet in einer Anlage am Meer, vor unserer Veranda schlängelt sich ein Pool wie eine Lagune über einen Kilometer einmal um die Anlage herum, und unter Palmen, zwischen Orchideen, eingehüllt in die feuchte, nach Blüten und süßer Fäulnis duftende Wärme der Tropen, spazieren der F. und ich am Strand entlang, essen die riesengroßen, vor Saft strotzenden Früchte, kaufen jeden Tag auf dem Nachtmarkt gegenüber alles, was unser Auge reizt, freunden uns mit Nachbarn an und freuen uns auf den J., der zwei Wochen später eintrifft.
Geht’s dir gut, fragt mich ein paar Tage später mein alter Freund S., Freund seit Schultagen, der mit seiner Freundin aus Burma zu Besuch gekommen ist, und dann freuen wir uns beide, dass es uns besser geht, als wir jemals erwartet haben, als wir 15 oder 18 waren in unserer kleinen Stadt.
März
Was habe ich eigentlich im März getan? Als ich wieder da war nach ein paar Tagen Bangkok nach den Wochen am Meer? Die ich genossen habe, weil ich diese asiatischen Megastädte mag, besonders Bangkok, wo ich vor einigen Jahrhunderten mal Referendarin war, und es liebe, wie die Stadt sich verändert, verformt, verschlankt, verschönt manchmal, und ich zünde für alles, was ich liebe, eine Kerze an in einem Tempel und eine riesengroße für das, was ich auf Erden am allermeisten liebe: Den klugen, liebevollen, freundlichen F.
Ich fürchte, ich habe einfach nur sehr viel geschlafen. Und noch mehr Freunde getroffen und herumgefahren. Leute getroffen, die ich online kennengelernt habe und schon lange mal in echt treffen wollte. Und überhaupt so viel ausgegangen, dass ich jetzt wieder wie zuletzt vor zehn Jahren oder so ziemlich genau weiß, wo man so hingeht und was es da gibt. Im Theater war ich auch, endlos viel gelesen und habe alle meine Pläne für zehn Jahre oder so aufgeschrieben und hake seither ab, was ich geschafft habe. Punkt für Punkt.
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