Ich stand einmal, das ist lange her, auf einem Laufband im Flughafen Amsterdam Schiphol und lief so ganz gemächlich in meine Richtung. Der Flughafen ist groß, ich hatte viel Zeit totzuschlagen: Ich beeilte mich rein gar nicht.
Auf einmal ruckte das Laufband unter mir und legte mächtig los. Ob es ein Fehler war oder Absicht, es wurde richtig schnell, und ich schwankte einen Moment, obwohl ich eigentlich fest stand, und wäre fast umgekippt vor lauter unerwarteter Geschwindigkeit: Ungefähr so geht es mir jetzt.
Von einem Moment auf den anderen kippt die Republik aus der kraftvollen Ruhe. In einem Lidschlag verschwinden die vielen offenen Stellen, Nervosität macht sich breit, Freunde führen Gespräche voller Verunsicherung, und Tag für Tag folgen Maßnahmen in einer Eile, wie ich es nie für möglich gehalten hätte: Die Schulen schließen, man darf nicht mehr reisen, die Geschäfte machen zu, die Restaurants. Nun folgt also der nächste Schlag, von dem wir hoffen, dass es der letzte, der entscheidende und befreiende ist: Man darf nicht mehr aus dem Haus. Nur noch zur Arbeit, zu ungern tolerierten Spaziergängen, zum Arzt, zum Supermarkt.
Wo ist meine Stadt, greife ich schwankend ins Leere. Was ist das, wo geht das hier hin. Und wann nimmt es ein Ende.
Sie beschreiben es so exakt. Wir haben erst gestern Abend davon gesprochen, mein Partner und ich. Die Welt, wie wir sie kennen ist auf einmal nicht mehr da. Irgendwie improvisieren wir in diesem luftleeren Raum, aber das ungute Gefühl zu fallen ist da und bleibt.
Es erinnert mich an die Stelle in Alice im Wunderland, als diese im feien Fall durch den Kaninchenbau ist. Sie besieht sich alles, nimmt, wenn ich mich richtig erinnere, sogar Dinge in die Hand.
Mir graut es vor der Landung.
Die Stadt wird immer da sein, während wir warten, dass es sie wieder gibt. Wenn wir es wollen wird sie der Palast in unseren Köpfen sein und in unseren Menschen.
Jetzt erleben wir auch mal so einen Ausnahmezustand, vom dem eine unserer Großmütter aus dem letzten Weltkrieg berichtet hat, als die Bomben nachts fielen und man damit rechnen musste, dass das Zuhause am nächsten Tag nicht mehr da war. Und das über Jahre!
Dagegen ist unser momentaner Zustand geradezu paradiesisch, wir haben alle unser Zuhause, genug zu Essen und die Lieben sind auch alle noch da.
Da kann man eigentlich nur gelassen bleiben!