Die Berliner sind wieder draußen. Die Straßen sind voll. Nur die Lokale sind noch geschlossen, man kann nicht an der Bar sitzen. Das Berliner Nachtleben ist vorbei, mag es auch noch in verstohlenen privaten Refugien ein bisschen verloren flackern.
Die Bars schenken nun zur Straße hin aus. Man kann Cocktails in Flaschen ordern, Bier, Wein in Plastikbechern, und vor manchen Bars stehen lange Schlangen. Man winkt sich zu, man kommt verdächtig nahe, immer knapp vor der Umarmung. Hat man sein Getränk, steht man neben den offenen Türen, blinzelt in die Sonne, plaudert ein bisschen nach rechts und links, denn Nachbarn kennen sich hier, und dann setzt man sich in Bewegung, die Hufelandstraße, Winsstraße, Wörter Straße herauf und herab.
Man geht langsam, man hat ja kein Ziel im eigentlichen Sinne. Man ist so recht: Flaneur. Flaneur unter Flaneuren, die langsam aneinander vorbeigehen, sich zulächeln, sich mustern, ein paar Worte wechseln auf Abstand, wenn man sich kennt. Vereinzelte Masken, hungrige Augen und raue, unberührte Haut.
Fünf, sechs Wochen hatten die Berliner einfach an, was sie anhatten, aber nun sind sie wieder da: Die Lidstriche, die locker hängenden Trenchcoats, rote Lippen, die weißen, blendenden Hemden der Männer und der lange, suchende Blick. Die erotische Energie dieser Stadt, in der alles geht und nichts nach viel aussieht, ist zurück, flirrt in dem frischen Grün der Bäume, und mischt sich mit der Angst, die in Schwaden durch die Straßen zieht zu einer ganz speziellen Mischung: Ein Hauch Verzweiflung, ein Gramm Koketterie und viel Lust an Ausnahme, an Aufregung, am Außergewöhnlichen selbst.
„Die erotische Energie…“ , was für ein toller Satz, besser kann man es nicht beschreiben.
Ich vergleiche ja gern Hamburg mit Berlin, und frage mich wie sich das in Hamburg anfühlt. Hmh, mein erster Impuls ist „sowas gibt es in Hamburg nicht, hier wirken die Leute viel nüchterner“. Aber meine Wahrnehmung ist beschränkt, bei meinem nächsten Gang durch die Stadt werde ich diese Frage mal mitnehmen.