Solange man kinderlos durch Berlin eiert, hat man – mit wenigen Ausnahmen – seine Ruhe. Dann aber geht es los. Denn das Kind gehört nicht nur zum J. und zu mir. Mindestens im selben Maße, so meinen wenigstens die Großeltern, gehört ein Kind auch zu ihnen. Ab sofort fallen deswegen alle Schranken der Zurückhaltung. Die Mutter des J. lädt sich die also fortan selbst ein.
Irgendwelche Programmpunkte, Museen oder ähnliche Attraktionen, sind überflüssig. Die größte Atraktion, die Berlin zu bieten hat, liegt ganz offensichtlich auf dem Boden auf einer karierten Krabbeldecke und schaut konzentriert an die Decke. Für die Mutter des J. reicht das vollkommen aus. Stundenlang betrachtet sie das Kind, zupft am Kind, herzt das Kind und lächelt dem Kind zu, das ab und zu gnädig zurücklächelt. Irgendwann zwischen den unterschiedlichen Akten der Anbetung gibt es erst Kuchen und später etwas Warmes. Was und wie ist den Eltern des J. sichtlich egal.
Die Intensität der Anbetung würde vermutlich jeden verrückt machen. Kind F. ist ein recht entspanntes Kind, aber irgendwann zeigt auch Kind F. Ermüdungserscheinungen. Der J. schützt eine Erkältung vor und legt sich eine Stunde zu Bett, und ich bete unhörbare Mantren des Inhalts, dass das ja hoffentlich nicht lange so bleibt und die Mutter des J. ja heute abend wieder abreist.
Als sie weg sind, atme ich erst einmal durch. Kind F. wird heute deutlich schwerer in den Schlaf finden als sonst. Dafür ist der J. nach Abreise seiner Mutter wieder gesundet, sitzt auf dem Sofa, liest Zeitung und behauptet, seine Mutter sei in ihrer Begeisterung doch eigentlich süß.
(Lacht.) Sie werden noch dankbar für diese grenzenlose Anbetung sein – besonders, wenn die Anbetung im großelterlichen Haus unter Ausschluss der leiblichen Eltern für zwei Wochen in den Ferien praktiziert wird. Also, Augen zu und durch. F. und die Großeltern bauen hier an einer Privat-Ferienlager-Beziehung.