Auf dem Weg vom Büro zum Italiener schaue ich in den Spiegel. Ein bißchen blass siehst du aus, tadele ich mein Spiegelbild für die vielen Stunden in geschlossenen Räumen. Du solltest mehr vor die Tür gehen, rate ich und wuschele mir ein paarmal durchs Haar. Ich habe mehrere Kilo Haar, habe ich das Gefühl, und zwei bis drei Pfund von der Fülle stehen immer in die falsche Richtung ab.
Ein bißchen sehr hochgeschlossen ist das Kleid, das ich anhabe. Selbst für einen Montagabend sehe ich ein wenig langweilig aus. Schwarz und knielang ist das Kleid, schließt ab bis zum Hals, und auch wenn ich keinen hüftlangen Cardigan trüge, sähe man schlicht nichts von mir. Dieses Kleid ist der Tschador unter den Kleidern Berlins, stelle ich fest. Ich könnte ohne mich umzuziehen an einer katholischen Mädchenschule unterrichten, mustere ich mich im Spiegel und überlege kurz, welches Fach. Deutsch vermutlich. Deutsch und Latein. Über die fusseligen Wollstrumpfhosen dagegen diskutiere ich nicht einmal mit mir selbst. Einfach zu kalt ist es für feine 20 den tights, selbst mit den schwarzen Stiefeln viel zu kalt, zumal, wenn man immer Rad fährt, weil man ja nicht Auto fahren kann und nur sehr, sehr ungern die M 4 besteigt.
Jane Russell ist tot, lese ich auf dem iPhone im Fahrstuhl nach unten und schaue mir die Bilder der Toten an. So schön werde ich nie gewesen sein, schießt es mir durch den Kopf, und ich schelte mich ein bißchen für diesen albernen Gedanken. Ich bin doch Rechtsanwältin und nicht Göttin. So begehrt werde ich nie gewesen sein, schiebt sich leise und lächerlich ein Anschlussgedanke in meinen Kopf. Egal, herrsche ich mich an und trällere ein bißchen auf dem Weg zu meinem Rad. I’m looking for trouble, summe ich und stochere mit dem Schlüssel im Schloss.
Dann fahre ich los.
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