Am Freitag bringt man mir ein Päckchen ins Büro. Es ist an mich adressiert, das schon, allerdings enthält es kein Geschenk für mich, sondern ein Geschenk für den J. Der J. hat nämlich am 27.02. Geburtstag.
Das Geschenk ist von seinen Eltern. Seine Eltern wollen nicht, dass wir Samstag bei der Post anstehen müssen. Deswegen schicken sie Päckchen lieber ins Büro. Warum zu mir und nicht zum J. weiß allerdings der Teufel. Vielleicht haben sie Angst, er könne das Päckchen vorzeitig öffnen. Entsprechend bringt mir also eine der Damen vom Empfang das Päckchen von rund 20 x 25 x 15 cm Ausmaß in braunem Packpapier mit getipptem Adressaufkleber auf der Vorderseite in mein Büro. „Danke!“, sage ich und strecke die Hand nach dem Päckchen aus. Ich halte das Geschenk hoch und schüttele es vorsichtig. Man hört rein nichts.
Am Abend bringe ich das Päckchen mit und gebe es dem J. Der J., finde ich, soll es nun selber tragen. Auch der J. hält das Päckchen ans Ohr, er wiegt es in der Hand, er dreht und wendet das Päckchen. Das Päckchen ist undurchdringlich. Das Packpapier ist sichtlich von des J. Mutter um eine Schachtel gewickelt worden und gibt keinerlei Hinweis darauf, woher das Päckchen stammt.
Am Samstag steht das Päckchen auf dem Küchenschrank. Ich wirbele durch die Küche, backe erst einen Sauerkrautkuchen und dann eine Nougat-Karamell-Buttercremetorte, brate Bouletten und bereite kalte Platten für das Frühstück vor, zu dem der J. am nächsten Morgen geladen hat. Ab und zu wandert mein Blick zum Schrank. Den Eltern des J. traue ich an sich als Geschenk lediglich Geld und Heimtextilien zu. Für Bettwäsche oder Handtücher ist das Päckchen aber viel zu klein. Zeitweise fürchte ich einen Becher aus Bürgeler Keramik. Die Mutter des J. findet die klobigen, blauen, weißgetupften Becher super und hat entsprechend zu Weihnachten einen Becher erhalten, auf dem ihr Name stand. Möglicherweise hat sie sich – zutiefst erfreut – nun revanchiert. „Dann würde Zerbrechlich auf dem Päckchen stehen.“, verneint der J. diese Ansicht und schüttelt das Päckchen selbst noch ein paarmal.
Um Mitternacht gibt es Champagner. Der J. bekommt ein Geschenk von mir. Ich singe so laut und schön wie ich kann ein Geburtstagslied speziell für den J., wir stoßen an, und dann öffnet der J. das Päckchen. Es enthält keine Keramik. Es enthält keine Heimtextilien. Es enthält eine Flasche Molton Brown Duschgel, eine Parfumprobe und – oh Unfassbarkeit des menschlichen Geistes – ein kleines, grünes, steinernes Ei.
Sie beiden sind definitiv dieses Geschenk nicht wert: Das Grüne ist sicher ein Heilstein, der den J. nicht nur vor Gicht und Prostataschäden bewahrt, sondern auch vor Computerstrahlen schützt. Er sollte ihn allzeit in der Hosentasche tragen.
Grüne Steine, so belehren mich jene, die Wissen bloß raunen, wirken „harmonisierend“ und „beruhigend“. Möglicherweise hat der J. eine bislang nur der Frau Mutter bekannte Neigung zum Randalieren und anderen Formen der groben Ekstase. Ich würde es als stummen Hausgott (Penaten!) zeremoniell in die Wand mauern.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der J. und ich nicht von einer Mutter abstammen.
REPLY:
Hosentasche. Okay. Ich werde es den J. wissen lassen.
REPLY:
Reicht es auch aus, es irgendwo in einem Schrank verschwinden zu lassen?
REPLY:
Es gibt mehr von der Sorte? Haben auch Sie grüne Eier aus Stein?
Auch könnte man denken, ein
pluminniglicher mütterlicherWinGruß unter etwas unbeholfener Zuhilfenahme ältester Symbolsprache, nicht wahr.REPLY:
Das traue ich einer netten, älteren, pensionierten Grundschullehrerin aus Niedersachsen nicht zu.