Taxifahren

I. Ortsunkundiger Taxifahrer

Die aufzusuchende Straße, so die J., sei eine große und außerordentlich belebte Straße Taschkents gewesen. Indes seien die örtlichen Taxifahrer zumeist Menschen mit sehr, sehr schlechter Ortskenntnis, und der mit dem Transport beauftragte Mann habe keine Ahnung gehabt, wo das Ziel sich befinde. Dies sei darauf zurückzuführen, dass alle Taschkenter Taxifahrer vom Lande kommen und Taschkent gar nicht kennen.

In Taschkent suchen die Taxifahrer vom Lande ihr Glück. Noch viel mehr Glück als in Taschkent vermuten die Taxifahrer aber in Deutschland, von dem in Taschkent sehr verschwommene Vorstellungen herrschen, und so habe besagter Taxifahrer vom Land die Gelegenheit beherzt beim Schopfe gepackt und der J. einen Heiratsantrag gemacht.

Vor, während und nach dem Heiratsantrag sei der Taxifahrer richtungslos durch Taschkent gefahren und habe ab und zu Passanten gefragt, wo der Zielort zu finden sei. Sie könne zu Fuß gehen, habe die J. den Taxifahrer zu stoppen versucht. Dieser aber habe sie nicht aussteigen lassen, sondern seinen Heiratsantrag konkretisiert.

Er würde, bot der Taxifahrer an, nicht bei der J. wohnen. Alles, was er wolle, sei die Heirat als solche. Nach erfolgter Eheschließung werde er sich auf eigene Faust durchschlagen. Er werde arbeiten. Die J. werde von dieser Ehe keinerlei Nachteile haben.

Da auch keine Vorteile ersichtlich waren, lehnte die J. ab.

II. Auch ortsunkundiger Taxifahrer

„Wo ist denn die *** Straße?“, fragt mich der Taxifahrer vor dem Frankfurter Flughafen. „Kennen sie sich hier nicht aus?“, frage ich ein wenig besorgt um meinen Termin in runden dreißig Minuten. „Jaja ….“, antwortet der Taxifahrer wenig überzeugend und fährt los.

„Er will mir nicht helfen!“, erläutert der Taxifahrer zehn Minuten später auf der Autobahn nach Wiesbaden den Inhalt mehrerer geräusch- und temperamentvoller Telefonate. „Mein Chef will mir nicht helfen!“, jault er auf, gibt noch etwas mehr Gas und fährt in eine Richtung, von der ganz offensichtlich auch er nicht weiß, wo sie hinführt.

„Nehmen sie den Plan!“, befiehlt er. Ich weise das Ansinnen zurück. Ich weiß nicht einmal in Berlin, wo irgendwas ist. Meine Unkenntnis, wo sich Orte befinden und wie man sie aufsucht, ist legendär.

Verzweifelt brüllt der Taxifahrer etwas später von der Straße aus russische Bauarbeiter und hessische Hausfrauen um Hilfe an. „Ich bringe sie dahin“, weist er mein Anerbieten zurück, ein anderes Taxi zu rufen.

Zwanzig Euro mehr als auf dem Rückweg braucht der Taxifahrer bis zum Zielort. „Ich hole sie ab!“, drängt er mir die Rückfahrt auf. Ich würde mich melden, behaupte ich fälschlicherweise und steige aus.

III. Ortskundiger Taxifahrer mit festen Vorstellungen

„Haben sie Kinder?“, werde anscheinend nur ich regelmäßig von den Taxifahrern Berlins gefragt. „Sie sollten Kinder haben.“, erwidern dann einige Taxifahrer meine verneinende Antwort. Nur ein Taxifahrer allerdings entgegnete:

„Wieso nicht? Finden sie niemanden oder sind sie unfruchtbar?“

6 Gedanken zu „Taxifahren

  1. REPLY:

    Danke, Bandini. Du weißt, was Frauen wollen. Und Frau Eichhorn hat natürlich recht. Man schimpft über und mit den Berliner Taxifahrern, aber in aller Regel wissen sie ganz genau, wo sie einen abladen müssen.

  2. REPLY:

    Da muss ich lachen =)
    Zugegeben, Frau Modeste, hab ich mir wenig Gedanken über inhaltliche Dinge gemacht und man kann auch nicht sagen, dass ich ein Böll-Experte bin, eher das Gegenteil. Allerdings beschäftige ich mich auch nicht beruflich bzw. im Studium mit Literatur, sondern nur privat. Ich lese, was mir empfohlen wird und zwischen die Finger kommt und beurteile eigentlich nur nach einem tieferen Bauchgefühl, mich erinnert der Stil eines Textes mal mehr, mal weniger an einen anderen, schon gelesenen, mal ist er so nichtssagend oder so vollkommen neu, dass er nicht erinnert.
    Die Katharina Blum war ein wirklich passendes Buch, da ich mit Herrn Böll zumindest in dem Punkt völlig einer Meinung bin, dass Die Bildzeitung…sagen wir…keine gute Zeitung ist, nicht wahr. Und den Stil, in dem es geschrieben war, fand ich vortrefflich für diese Art Buch.
    Alles in allem also: Das sollte als Kompliment gelten und von einer, die keine Ahnung hat (kann man ruhig so sagen) nur ein kleiner Knicks.

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