Sollten Sie, meine Damen und Herren Berliner, im Laufe des morgigen Tages eine dicke Dame beobachten, die sich alle paar Sekunden hektisch und ein wenig fahrig durchs allzu dichte schwarze Haar fährt, dicke Haarsträhnen zwischen Zeige- und Mittelfinger klemmt, und vor jedem Spiegel anfängt, ihr Haar nach rechts und links zu schieben, und dann ein bißchen zu schnauben, weil es ja doch nicht besser wird: Sprechen Sie sich ruhig an. Es geht ihr gut. Da wäre nur….
…. die Sache mit den Haaren.
Wie die Fama weiß, wiegen allein meine Haare mehr als manches Model, welches sadistische Modeschöpfer über den Laufsteig schicken. Meine Haare sind schwarz, dick, erinnern nicht nur entfernt an das, was Pferden aus der Haut sprießt, und neigen überdies dazu, nicht glatt und seidig an den Seiten herabzuhängen, sondern strähnenweise abzustehen.
Dies wiederum bedingt, dass das schiere Wachsenlassen keine sonderlich vorteilhafte Alternative darstellt. Da ich auch nicht zu denjenigen Leuten gehöre, die überhaupt immer gut oder zumindest charming zerzaust wirken, gehen allzu lange Absenzen vom Friseur auch stets schwer zu Lasten meiner Gesamterscheinung, die ohnehin derzeit gewichtszunahmebedingt noch weniger meinen Vorstellungen entspricht als sonst.
Dann gehen sie doch zum Friseur, stöhnt es vernehmlich aus den Weiten des Internets. Überhaupt, so ächzt es weiter, sollten sie – also ich – endlich aufhören, ein seriöses Medium wie das Internet durch die Verbreitung ihrer rein privaten und im Maßstab welthistorischer Ereignisse extrem irrelevanter Probleme vollzumüllen. Beschäftigen sie sich endlich mit ernsthaften Dingen, schallt es mir aus den elektronischen Kanälen entgegen, denn meine Privatprobleme fände, wie man weiß, höchstens ich selber interessant.
Dabei, so antworte ich hiermit empört den anonymen Stimmen, ist es doch gerade die Beschäftigung mit ernsthaften Dingen, welche mich davon abhält, dem entwürdigenden und ästhetisch sehr, sehr demütigenden Zustand ein Ende zu bereiten. Nicht die Befüllung des Internets mit rein privaten Petitessen, nein, mein Broterwerb ist es, der mich davon abhält, endlich einmal zum Friseur zu gehen, denn diese Zunft pflegt ausschließlich zu Zeiten zu arbeiten, an denen diejenigen, die wie ich einer Berufstätigkeit nachgehen, in ihren Büros und nicht auf Friseurstühlen sitzen.
„Wann geht ihr eigentlich zum Friseur?“, fragte ich folgerichtig Kollegen, die schon länger berufstätig sind als ich, um herauszufinden, wie jene des Problems Herr werden, nur, um zu erfahren, dass der frühe Morgen sich anbiete, wolle man trotz Beruf halbwegs gepflegt durchs Leben schreiten. – Tätigkeiten, die am frühen Morgen auszuführen sind, verbieten sich mir indes eigentlich von selbst, zudem mag es dem Erfolg eines Friseurbesuchs abträglich sein, wenn die zu Frisierende während der Leistungserbringung einschläft. – „Na, Samstags“, sagten andere Stimmen, „musst halt nur rechtzeitig anrufen.“ – „Ich hasse Friseurbesuche!“, entgegnete ich dann, „und sehe überhaupt nicht ein, meine ohnehin allzu knappe Freizeit vor einem Spiegel zu verbringen, in dem ich immer bleich und ziemlich krötenartig aussehe, während die durchtrainiert-schlanke Friseurin M., halb so breit wie ich selber, vergeblich versucht, den Dschungel auf meinem Kopf in eine französischen Garten zu verwandeln.“
Ein paar Tage lang siegten so die Unlustgefühle am Friseurbesuch über die Unlust an der ausgewachsenen Frisur. Dann aber, da sich das Haareschneiden nicht ewig aufschieben lässt, wird, voraussichtlich morgen, doch angerufen werden müssen. Morgen allerdings sind die Samstagstermine höchstwahrscheinlich bereits ausgebucht, nichts geht mehr, und ich vertage den Friseur schlimmstenfalls gezwungenermaßen für eine Woche, während der die Haare munter weitersprießen, und wühle den ganzen Tag, den ganzen, verdammten Tag, in meinen Haaren herum, bis man mir solches verweist.
Und das sollten auch Sie tun, wenn Sie mich morgen so herumlaufen sehen, die rechte Hand im Haupthaar und die linke am Telephon, während ich vergeblich versuche, einen Termin noch für Samstag zu bekommen, und leicht hysterisch in das Telephon an meinem Ohr kreische, dass man mir das doch nicht antun könne, denn es handele sich um einen wirklichen Notfall, es ginge gar nicht mehr, nein, jetzt geht es auch nicht, aber bitte, bitte diesen Samstag… morgens, abends – egal wann, ja, hat ihre Kollegin auch schon – es ist aber wirklich dringend – nicht einmal, wenn jemand absagt? – Ja, dann rufen sie mich doch einfach an, danke – bitte – vielen Dank, tschüß.
ALLES GELOGEN!Äh, ich meinte, also, das kann man alles so und so sehen, ich glaube aber nicht, dass irgendwer obige reflexive Ungerechtigkeiten gegenüber der Gastgeberin unterschreiben würde.
Was um alles in der Welt, meine Liebe, hindert Sie eigentlich, während der Arbeitszeit zum Friseur zu gehen, wie das alle anderen auch machen? Und erzählen Sie mir bitte nicht, dass das aufgrund der überbordenden Relevanz dessen was Sie tun, vollkommen undenkbar ist, weil sonst der Planet aus der Bahn geriete oder ähnlich Unerfreuliches.
REPLY:
Inder Tat! Gerne erinnere ich mich an eine aus dem Land der Nelkenzigarette und der festlichen Witenverbrennung fuer viel teures Geld angeheurte Systemanalystin die waehrend – sagen wir – sehr crowdigen Geschaeftsbetriebes morgens um halb elf verschwinden zu pflegte umd dann erst am mittleren Nachmittag frisch frisiert wieder aufzutauchen beliebte und auf die vorsichtigen Vorhaltungen der sonstigen emsig vor sich hinprogrammierenden Subkontinentler nur entgegnete “ ein Friseurbesuch beduerfte nun halt mal etwas Zeit“.
… allerdings ist sie dann nach nur kurzer Zeit – auch aufgrund etwas duerftigen Wissens ueber Systeme und ihre Analyse – in einem Flieger Richtung Australien entschwunden worden – das aber haartechnisch gesehen natuerlich tiptop …
Schön …
ich hasse es auch, vor allem wegen der Bleichgesichtigkeit. Aber ich gehe heute … 😉
frau modeste,
hören sie das leise krächzen, das aus dem i-net zu ihnen dringt ? das ist meine erkältungsgeschädigte stimme, die ihnen noch vor beendigung der lektüre dieses eintrags mitzuteilen versucht, dass ihre kleinen und großen geschichten aus dem leben inseln im reißenden strom des alltags sind, dazu angetan, jemandem wie mich für ein paar minuten schützend zu beherbergen und dann entweder mit einem lächeln auf den lippen oder auch ein paar tiefen gedanken wieder in den tag zu entlassen …
REPLY:
Dicke Dame
Sind wir jetzt da schon angelangt? Nun, die Erde ist eine mit den Polen an den Innenseiten
einer Hohlkugel aufgehängte rotierende Walze, wie schon Anaximander wusste. Der
höchste Berg der Welt heißt Ararat, die größte Macht der Erde Karthago. Aber Modeste
und dick? Zumindest ist die derzeit regierende Königin Ägyptens, Cleopatra Epiphania,
dicker.
Sehr geehrte Frau Modeste ,
bin hier recht neu in Kleinboggersdorf und lese sehr gerne Ihre Seite . Nun habe ich ein Stöckchen erhalten und würde es gerne an Sie weitergeben , wenn Sie möchten …
Viele Grüße ,
Gutemine
smile, Madame Modeste
suchen Sie eine afrikanische Friseurin auf und lassen Sie sich Rastazöpfe drehen, die halten ein halbes Jahr. Die Behandlung dauert allerdings fast einen Tag, nehmen Sie sich einen Band Erzählungen mit. Vielleicht von Maupassant, lesen Sie die Novelle „Fettklößchen“… danach sind Sie mit sich selbst im Reinen.
meint Mukono
Doch, doch, lieber Don – ich war heute morgen auf der Waage, und Du glaubst nicht, was ich gesehen habe. Und wie auch immer, die Königin eigentlich jedes beliebigen Landes ausschaut, Che – ich bin dicker. Bestimmt.
Was die Friseurbesuche in der Arbeitszeit angeht, Herr Poodle, so habe ich gestern tatsächlich um 20.00 Uhr (also zu bester Arbeitszeit…) meine Wirkungsstätte verlassen und einen Friseur aufgesucht. Ich bin allerdings auch keine Systemanalystin, Herr Brandtwein, und würde deswegen, würde ich tagsüber, sagen wir um elf oder so, mein Büro verlassen, vermutlich hochkant rausgeworfen.
Blass, Frau Creezy, war ich gestern natürlich, aber, oh Glück: Die Friseurin war rundlich, geradezu üppig, und auch nicht gebäunter als ich. Und gut geschnitten hzat sie auch. Da gehe ich wieder hin, zumal mir, Herr Mukono, Rastalocken bestimmt nicht stehen. Ich sehe jetzt eigentlich wieder aus wie immer. Nur mit weniger Haaren als vorgestern, zum Glück.
Und Ihr Stöckchen, Frau Gutemine, sammle ich gern auf und bedanke mich herzlich, Frau Walküre, für Ihre warmen Worte.
Aalso,
Werteste, ich stand heute bei einem ungenannt bleiben wollenden Kleidungsdiscounter an der Kasse hinter Ihnen und möchte hiermit eine unwesentliche Zweitmeinung anbringen. Ja, die Haare standen über dem linkenOhr etwas ab, dies aber in ästhetischer und so gar nicht – wie von Ihnen beschrieben – nach Friseur rufender Manier. Überflüssige Kilos konnten von mir auch nicht ausfindig gemacht werden, im Gegenteil war in der Jeans noch Platz für eine weitere Person.
Da ich aber keine Frau kenne, die mit dem auf ihrem Haupt befindlichen Haar und seinem Volumen zufrieden wäre, nimmt es mich stets ein wenig Wunder, dass wir nicht alle radikahl umherlaufen und so dem Frust bei diesem Thema ein Ende setzten. Was meinen Sie?
REPLY:
Ooops – warum haben Sie nicht hallo gesagt? Ich hätte das brauchen können, ich habe vor lauter Herbstfrust eine große Einkaufstour durch den Prenzlberg gemacht, und vor Ort eine große Runde schwarzer Oberteile erworben, weil Schwarz doch schlank macht. Beim Friseur war ich übrigesn schon vorgestern, Freitag um 20.30 direkt nach der Arbeit, so dass meine Haare jetzt wieder einigermaßen kürzer, wenn auch immer noch etwas… äh, wüst aussehen. Kahl wäre mir trotzdem nichts.