Der unaufhaltsame Niedergang der abendländischen Familie

(The Frank-Schirrmacher-Blues)

Für jemanden, der vom Heiraten nicht viel hält, werden Sie denken, schreibt Fräulein Modeste aber auffällig oft über derartige Veranstaltungen, aber selbstverständlich – und das werden Sie sicherlich mildernd in die Waagschale werfen – kann es der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden, dass mein Onkel P. in wenigen Wochen zum vierten Male heiraten wird. Auf der vierten Ehe liegt bekanntlich ein besonderer Segen, wenn man sich das Spitzenpersonal der letzten Legislaturperiode so anschaut, deren jeweils vierte Ehen sich als ganz besonders haltbar zu erweisen scheinen, und so kann auch ich, auch wenn mir die Anwesenheit wegen allgemeiner Lustlosigkeit leider nicht möglich sein wird, zu diesem freudigen Ereignis nur von Herzen gratulieren.

In Abwesenheit gratuliert auch Vetter L., dessen Verhältnis zum Heiraten seit seiner eigenen, wenn auch gücklicherweise recht kurzen Ehe ein wenig gespalten zu sein scheint. Er habe, so der L., an jenem Wochenende einen Freund zu Besuch, der seit einigen Jahren im Ausland forscht, und deswegen seltener empfangen werden kann, als Onkel P. zu heiraten pflegt. Schwesterchen besucht eine Woche später eine Bekannte in Spanien und muss packen, mein Vater muss die Männer beaufsichtigen, die eine neue Regenrinne anbringen, meine Mutter ist mit Onkel P., wie sie behauptet, ja gar nicht verwandt, und meine Tante F. verkauft seit ihrem Ausscheiden aus dem Schuldienst bei jeder sich bietenden Gelegenheit esoterische Gegenstände an Gläubige, und hat deswegen gleichfalls keine Zeit.

Mein kleiner Cousin weilt im Ausland. Onkel K. muss immer Thrombosestrümpfe tragen und kann nicht so lange stehen, wie die Zeremonie dies erfordert. Onkel U. kommt grundsätzlich nicht, wenn die Familie sich versammelt, und Tante L. ist der Flug zu weit. Tante M. sitzt im Altersheim und möchte nicht schon wieder einen Zivi bemühen, sie irgendwohin zu bringen, und Tante B. hat ein Seminar in Frankreich gebucht, wo sie das Weintrinken lernen wird.

Onkel P., so scheint es, wird also allein heiraten, eine jugendliche Braut aus den Steppen Kasachstans an seiner Seite, und wenn alles so stimmt, was man hört, so ist Onkel P. über diesen Umstand gar nicht einmal so sehr verstimmt.

14 Gedanken zu „Der unaufhaltsame Niedergang der abendländischen Familie

  1. Oh fein. Reizende Familie, und allerherzlichste Glückwünsche an Onkel P.. Und an die jugendliche Braut. Ich würde unter diesen Umständen auch das Erlernen des professionellen Weintrinkens vorziehen. (Sie schreiben tatsächlich recht oft übers Heiraten. Aber das sei Ihnen vergeben.)

  2. Die schönste Frau, die ich, trotzdem ich ihrer Nummer habhaft geworden, niemals angerufen habe und bei der mich alle anwesenden anderen Partygäste ob des Umstandes einer Unterhaltung, geschweige denn der Telefonnummer schon beneideten, war Kasachin und insofern beglückwünsche ich den werten Onkel, gebe aber aufgrund meiner anerzogenen Skepsis keine gute Prognose ab.

  3. REPLY:

    Vielleicht ist nach der vierten Dame auch Schluss, weil diese, des Schicksals ihrer Vorgängerinnen gewärtig beschliesst, dem baldigen Witwentum mit chemischen Substanzen nachzuhelfen – und dergleichen Befürchtungen aus älteren Herren zahme Untertanen machen.

  4. Wertes Fräulein Modeste,
    ich muß ich mal ein wenig klugscheißern:
    Beim Spitzenpersonal der letzten Legislaturperiode war nur die vierte Ehe des Kochs mit einem besonderen Segen belegt und infolgedessen besonders haltbar. Der Kellner hatte sich schon bald wieder von Gattin Nummer vier getrennt und pflegt nun die Ehe mit Frau Nummer fünf. Serielle Mongamie eben…
    Ihr Julian Kay

  5. als bislang stille aber entzückte leserin muss ich feststellen, dass ich mich mehr und mehr in teile ihrer weitläufigen verwandtschaft verliebe. dem tapferen onkel alles glück der welt, auch wenn ich selber allen ewigkeitsversprechen abhold bin. was ich noch fragen muss: dem kleinen cousin geht es gut?
    und: geben sie, frau modeste, übrigens tatsächlich lustlosigkeit als grund ihres fernbleibens an?

  6. eine wunderbare familie haben sie da werte frau modeste!
    ich wünsche dem werten onkel auf diesem wege glück und wohl vor allem zukunft. über seine diversen unterhaltspflichtigen exfrauen und eventuellen kinder möchte ich aber lieber nicht länger nachdenken…
    naja ich denke da kommts auf eine mehr oder weniger auch nicht mehr an.

  7. Och, bei der vierten Braut würde ich wohl auch nicht mehr alles stehen und liegen lassen für’n Onkel. Allerdings, wenn die beiden lustig sind und das Buffet stimmt, lasse ich mich notfalls auch gerne als Cousine einkaufen. Geht nix über eine lustige Party auf der man satt wird, nicht wahr? 😉

  8. Haha

    Ein sehr schöner Beitrag! Aber hey – jeder nach seiner Fasson, jedenfalls laut dem Grossen. Beileid an dieser Stelle wäre unangebracht, so sieht das normale Familienleben nun mal aus. Oder werden Sie nun enterbt? Die besten Wünsche an Onkel P!

  9. Ja, Mlle Händel, wirklich reizend. Insbesondere aus der Entfernung, aus der ich, King Fisher, auch die Zeremonie mit meinen besten Wünschen begleiten werde. Warum ich aber fernbleibe, kann ich, Erste Hilfe, gar nicht so genau sagen, weil man Vater mich abmelden wird. Das Buffet, Creezy, müsste da schon sehr gut sein – und so gut stelle ich es mir nicht vor.

    Dass Ehegattinen mörderisch sind, Don, ist realiter wohl eher versehentlich der Fall. Ob Onkel P. aber wirklich klüger oder nur älter geworden ist, Herr Varzil, weiß man nicht genau. Vielleicht hat Herr Atkins Recht? Und ob Koch oder Kellner – Onkel P., Julian-Kay, wird schon etwas einfallen, wie er auch diese Ehe ruiniert, denke ich. Da gibt es ja, agt man, ein unfehlbares Patentrezept für die schnelle Scheidung: Sich einfach ganz natürlich geben. Aber wenn jene Kasachin dieser Kasachin gleicht, ist ja vielleicht auch eine kurze Ehe besser als gar keine, Herr Bandini. Und über das Stadium, wo Frauen Geld kosten, ist Onkel P., Frau Echse, glaube ich, hinaus. Insofern kommt es auf die Enterbung, RL.Green, jetzt auch nicht mehr an.

    Und klar, Herr Haase. Was wäre dieses Blog ohne meine Familie. Und die alten Römer dazu.

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