„Komm rein.“, sage ich zum M², der unverhofft vor der Tür steht, und bedaure, gerade keine Zeit für ihn zu haben: Ein pünktlicher Mensch wäre seit zwanzig Minuten unterwegs, um in zehn Minuten in einer Friedrichshainer Bar lieben Freunden um den Hals zu fallen. Ob der M² nicht auch morgen…? Morgen nachmittag vielleicht? Nein, schüttelt der M² den Kopf, um acht in der Früh müsse er los, und zwei Wochen sei er außer Landes. „Schade.“, sage ich und biete ihm einen Sherry an. „Ich muss noch duschen.“, sage ich, aber wir könnten uns durch die Tür unterhalten.
„Ich verstehe kein Wort.“, sagt der M² wenig später durch das prasselnde Wasser, und ich bin erleichtert: Es liegt also nicht an meinen Ohren. „Such mir was anzuziehen raus.“, sage ich statt dessen, weil es jetzt wirklich spät ist, und der M² macht sich an meinem Schrank zu schaffen. „Was macht ihr heute nacht?“, fragt er, während ich mir die Haare frottiere. „Nichts.“, sage ich. Essen, Trinken und vielleicht Tanzen im sehr unprätentiösen Friedrichshain. „Da war ich ewig nicht.“, sagt der M². „Ich auch nicht.“, sage ich, und erläutere die unerklärliche Wohnortwahl ansonsten lieber Menschen. M², so fürchte ich rein akustisch, nimmt gerade meinen ganzen Schrank auseinander.
„Den schwarzen Rock?“, fragt der M² und schwenkt einen schwarzen Baumwollrock mit Blüten und einem Unterrock aus Tüll. „Das ist nicht Friedrichshain.“, sage ich, und M² stimmt mir zu. Statt des seidenbandgeschnürten Tops deswegen vielleicht einfach einen schwarzen Pullover? Und Stiefel? „Stiefel im Juni?“, ich lache den M² ein bißchen aus, und ziehe den Reißverschluss des Rocks hoch. Saß auch schon mal besser, denke ich, und M² hält mir verschiedene Pullover an und entscheidet sich schließlich für ein schlichtes, grobgestricktes Modell. „Lässt du die Haare so?“, fragt M² und hat das Haarwachs schon in der Hand. „Mach du.“, sage ich und sehe im Spiegel, wie er mit Bürste und Kamm einzelne Strähnen vom Ansatz nach oben zieht, Wachs einknetet und schließlich alles mit Spray befestigt. „Gut schaust aus.“, sagt der M² und stäubt ein bißchen mit Puder herum, heller Staub im gelblichen Lampenlicht. Ich puste ihm den Puder vom Hemd, er singt ein bißchen vor, um mir einen Eindruck von einer neuen CD zu geben, erzählt von seinem Sohn, und ich suche in allen Taschen nach meinem Schlüssel.
„Zieh´ ich jetzt die Stiefel an?“, frage ich M². „Ist verdammt kalt da draußen.“, sagt er, und ich mache ihm ein paar Komplimente für seinen fabelhaften Dialekt. Wir preisen ein bißchen alle Schönheiten der Steiermark, und M² schiebt meinen Fuß langsam in die derben Stiefel und zieht den Reißverschluss nach oben. „Schöne Beine hast du.“, sagt er und streicht kurz mit zwei Fingern über das Stück Haut zwischen Stiefel und Rockansatz. „Danke.“, sage ich und freue mich über das Kompliment.
„Ich muss los.“, sage ich dann. „Bis in zwei Wochen?“, fragt der M². „Da bin ich in Urlaub.“, bedaure ich. Wir telephonieren, rufen wir uns noch zu, und dann laufe ich vorbei am Kollwitzplatz zur Tram.
„Da bist du ja.“, sagen die Freunde eine halbe Stunde später.
Ich glaub, der M2 wollte mitkommen 🙂
(Schönes Wochenende)
REPLY:
Ja, liest sich so!
(Ein ganz wunderschönes)
Liest sich so, als hätte er die Wohnung und Dich am liebsten nicht verlassen. Schön.
REPLY:
Ich weiß ja nicht … Was M² will, gehört ja (siehe obige Links) zu den denjenigen Geheimnissen meines Lebens, die mich einerseits nicht genug interessieren, um ihnen nachzugehen, aber andererseits ist man eben doch ein wenig neugierig.
REPLY:
Meiner Erfahrung nach …
… tun Männer – was Frauen angeht – nur äußerst Selten Dinge ohne Hintergedanken.
REPLY:
@Stimme der freien Welt: Das ist aber äußerst pauschalisierend.
REPLY:
ich gebe zu, ein wenig pauschalisierend … aber es hat auch einen wahren kern, oder? Das wirft so ein wenig die Frage auf, ob es auf Dauer „nur“ Freundschaft zwischen Männlein und Weiblein geben kann …
REPLY:
Ja, kann es. Ich habe jahrelang wunderbare „nur“-Freundschaften zu Männern gepflegt. Allerdings wurde so manche Freundin ob der Intensität sehr eifersüchtig (die eine glaubte noch Jahre danach – als ihr vormals Liebster längst mit einer anderen zusammen und er und ich derentwegen nicht mehr befreundet waren -, dass er sie mit mir betrogen hätte, was nicht stimmte). Wenn diese Freundschaften irgendwann einschliefen, dann lag das immer an diesen Freundinnen. Die im Bett behält immer recht, dichtete Tucholsky weiland schon in Frauen von Freunden.
„Das ist nicht Friedrichshain“. Friedrichshain, Kreuzberg, Mitte, Wedding. Nachtleben muss kein Spass machen, hauptsache man fällt nicht negativ auf. Wobei die Distinktionen nur für wenige Eingeweihte wirklich nachzuvollziehen sind.
Die Revolution muss warten, erst noch das dazu passende aus dem Schrank suchen.
REPLY:
Ich kenne Beziehungen, platonische Liebschaften, Freundschaften von Männern
mit Frauen ohne erotische Komponente und auch Fälle, wo das Eine in das Andere
übergeht. Wozu Festlegungen? Mitunter stören sie nur.
mei, a steirer. in berlin.
warum foid mir do glei „fürstenfeld“ von sts ein?
REPLY:
Manchmal verschwinden die Freunde, das ist wahr. Öfter allerdings überleben die Freundschaften die Lieben – manchmal schön, mitunter ein wenig traurig.