Wiederkehr des Parasiten

„Sie können den Vortrag auch mit einem Partner vorbereiten.“, sagt Dr. V..
„Vielleicht nicht schlecht.“, sage ich. Denn ich habe genug auf dem Schreibtisch, und ein Vortrag macht Arbeit, noch mehr Arbeit macht dann der Beitrag für den Tagungsband, und so frage ich Dr. V. nach Namen.

„Der Dr. F. würde auch gerne. Schafft´s aber nicht mit einem eigenen Beitrag. Da finden sie sich bestimmt zusammen. Denken sie drüber nach und melden sie sich“, Dr. V. hängt auf.

F., denke ich. F. sagt mir was. F. kenn´ ich. – Und brühe mir eine frische Kanne Tee.

Und dann, auf einmal, als käme er just zur Tür hinein – sehe ich F. Klein, mit dünnen, stark behaarten Armen. Wieso mir gerade diese Arme so vor Augen stehen?

Natürlich. August 2001. Die Terrasse. – Sein Institut hatte seine Büros an der Südseite des Juridicums. Und an der Südseite gab es eine Terrasse. Und auf dieser Terrasse hatte F. mir gegenüber gesessen, mit hoch aufgekrempelten blaukarierten Hemdsärmeln. Und um einen Vortrag ging es auch, allerdings nicht um meinen, sondern um den meines Chefs, der mit F.´s Chef einen Gemeinschaftsbeitrag erarbeiten wollte. Und F. und ich sollten den Entwurf schreiben.

„Du bist Modeste“, begrüßte mich der F. damals, gute zehn Jahre älter und schon tief in der Habilitation, deren Besprechung ich letztes Jahr irgendwo überflogen habe .
Ich setzte mich ihm gegenüber. F. fuhr fort, an seiner Zigarette zu ziehen und blies den Rauch über die Brüstung.
„Wie hast du dir den Vortrag vorgestellt?“, F. sah mich an, und ließ den Blick wieder lässig übers Tal schweifen. Ich zog meine Notizen aus der Mappe und fing an. F. unterbrach mich.

„Hast du schon Vorträge ausgearbeitet?“ Ich verneinte. F. seufzte. Alles würde also wieder ihm hängen bleiben. Er kenne das schon. Zumindest die Recherchen könnte ich aber machen. Das sei ihm schon eine Hilfe. Und an einer ersten Grobfassung könne ich mich ja mal versuchen. Mein Konzeptpapier sei nicht schlecht, an sich. Er werde das Papier überarbeiten und mich anrufen. Oder er werde mir die Arbeitsaufträge faxen. Und die Koordination mit den Vortragenden könne er auch machen, das sei eine Sache der Erfahrung. Ob ich mitkäme zur Tagung? Ich könne mir den Aufwand natürlich auch sparen. Er sei ja schon das dritte Jahr dabei, er könne die Präsentation machen. Ich nickte, leicht verwirrt. Dann deutete F. an, er müsse jetzt arbeiten, und ich ging sehr eingeschüchtert und mit dem leichten Gefühl, übers Ohr gehauen worden zu sein, davon.

In den nächsten Wochen geschah alles, wie F. sagte. Es war eine Menge Arbeit. Nachdem ich meinen Entwurf bei F. abgeliefert hatte, hörte ich nie wieder vom Vortrag, und nie wieder vom F.

Am Nachmittag rufe ich also bei Dr. V. an. V. sei nicht da, teilt mir seine Sekretärin mit. Wo er sei? Sie sei seine Tippse und nicht seine Kindergärtnerin. Ich könne später anrufen. Oder morgen. Ich schreibe ein Post-It: V. anrufen, und vergesse die ganze Sache.

Als ich spät heimkomme, blinkt der Anrufbeantworter. Es ist F. Dr. V. muss ihm die Nummer gegeben haben.

Dumpf, wie aus dem Inneren einer leeren Dose quäkt F. aus meinem Uraltanrufbeantworter. Und er sagt:

„Modeste, du bist ja inzwischen auch ein alter Hase im Metier. V. sagt, du kannst mir ein bißchen Arbeit abnehmen. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Vielleicht kannst du ein paar Vorarbeiten machen, Recherche, erster Entwurf. Um den Rest kann ich mich kümmern. Bist du bei der Tagung die ganze Zeit dabei?“

2 Gedanken zu „Wiederkehr des Parasiten

  1. typisch

    das ist so unglaublich typisch. und das ärgerlich ist, dass die meisten männer damit ihr halbes leben durchkommen, weil sie immer neues weibchen finden, die sich auf sowas einlassen.

  2. REPLY:

    Ja, im Grunde sollte man solchen Leuten an gut sichtbarer Stelle einen Warnhinweis tätowieren. Etwas irre ist natürlich sein Glaube, ich würde die Nummer ein zweites Mal mitmachen. Er muss da ganz guten Mutes sein – er hat seit heute morgen schon zweimal angerufen!

    Es mag ja Zufall sein, aber vergleichbar dreiste Frauen kenne ich nicht. Die These von den zickenden, mißgünstigen Kolleginnen halte ich nach diversen unterschiedlich bestückten Lehrstühlen und Kanzleien für eine männliche Erfindung. Derartigen beruflichen Stress hatte ich nur mit Männern.

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