K. kommt später, und so lasse ich mir vom Kellner eine Zeitung bringen. Der K. ruft nochmal an, es wird noch später, und so blättere ich ein bißchen in der WELT von gestern. Politik interessiert mich nicht, von Wirtschaft verstehe ich nichts, und das Feuilleton der WELT ist nicht geeignet, die Wartezeit zu verkürzen. Ein beiläufig irritiertes Interesse zieht die Eröffnung des „Tropical-Islands“ in der Wüste um Berlin auf sich, und so lese ich diesen Artikel von vorne bis hinten.
Der K. ist für seine Verspätung keinesfalls selbst verantwortlich, soviel ist klar. Aber als er endlich erscheint, bin ich ein bißchen verärgert in meiner Verfressenheit und schleudere ihm, der entfernt irgendwas mit dieser absurden Veranstaltung zu tun hat, ein lockeres „Das kann doch gar nicht funktionieren“ entgegen.
K. legt die Stirn in Falten, tupft sich sorgfältig unsichtbare Spuren eines Petersilienwurzelsüppchens von den Mundwinkeln und erklärt Gewinnerwartungen und Investitionsstruktur. Der Aal unterbricht seinen Sermon, und so komme auch ich wieder zu Wort.
„Würdest du da hinfahren?“, frage ich ihn. Er verneint. Leute wie er und ich, so erläutert er, seien nicht die Zielgruppe dieses Investitionsprojekts. Die „Ballermänner“ und „DomRepProleten“ seien diejenigen, deren tristen Alltag das Kunstparadies verschönern solle. Der „sehr moderate“ Eintrittspreis von etwa 15 oder 20 € pro vier Stunden sei sozusagen als Basisfinanzierung anzusehen, es sei aber zu erwarten, das jeder Gast ein Mehrfaches vor Ort konsumieren werde.
„Die haben doch gar kein Geld.“, entgegne ich, die ich weder der brandenburgischen Steppe noch den Einwohner des verrottenden Berlins besondere Kaufkraft zutraue. „Du wirst dich wundern,“ erläutert in betont ruhigem und etwas lehrhaftem Tonfall K., „was in diesen Kreisen alles auf dem Konto liegt.“
Es wird wohl am Belehrungsgestus gelegen haben, oder an der Art, wie er „diese Kreise“ intoniert, jedenfalls fasse ich den K. scharf ins Auge, und biete ihm eine Wette an:
Wenn Tropical Islands im nächsten Jahr auch nur zwei von den drei Millionen erwarteten Gästen empfängt, bekommt K. eine Magnumflasche Veuve Cliquot; andernfalls bin ich die Empfängerin.
„Ach,“ sagt der K. und schwenkt das Besteck, „mit schönen Damen soll man nicht wetten.“
Ich schweige und beschließe, den K. sofort von meiner Liste denkbarer Dauerbegleitungen zu streichen. K.´s Vorstoß bezüglich einer gemeinsam besuchten Silvesterfeier wird daher abgelehnt, und auch die Rückreise am Vortag von meinen Eltern nach Berlin wird nicht in K.´s Wagen zurückgelegt werden.
Kurz nach drei, ich sitze wieder am Schreibtisch, ruft K. nochmals an. Was denn nicht stimmen würde. Und: Ob er was falsch gemacht hätte. Von der Wirtschaft verstünde er berufsbedingt mehr als ich, in meinen Interessengebieten wolle er doch auch nicht recht behalten.
Ist schon gut, sage ich und will auflegen. „Wenn es die Wette war,“ ruft K. hinterher, „kauf´ich dir den Champagner natürlich auch einfach so.“
Ja, Leidenschaft für Zahlen und gesunder Menschenverstand stehen oft im Widerstreit. Und die gesellschaftliche Fortentwicklung der Frauenrolle ist nicht jedermanns Sache. 😉 Aber wenn es ihn doch glückliche macht, dass Sie den Schampus nehmen…
REPLY:
Reifliche Überlegung und gründliche Auswertung der zu erwartenden Rendite sprechen leider klar gegen K.´s Champagner – vielleicht tauchen 2005 ja noch weniger problematische Spender auf. Ist ja erst Januar, kann ja alles noch werden.