Wäsche hängen

Samstag vormittag auf dem Markt am Arnswalder Platz. Ich also mit dem F. an der Hand bei Godshot, der glücklicherweise nichts mit martialischen überirdischen Wesen zu tun hat, sondern schlicht Kaffee verkauft. Ziemlich guten Kaffee, um genau zu sein. Also eigentlich ein Mann mit einer Kaffeemaschine auf einem kleinen, fahrbaren Wagen.

Vor mir sind noch drei, vier andere Leute. Direkt vor mir stehen zwei Frauen, vielleicht vierzigjährig mit Schöffel-Jacken, soliden Hosen, Einkaufskörben und kinnlangen  Haaren. So die Sorte, die ab und zu einen Lippenstift verwendet in einer Farbe, bei der nicht auffällt, dass sie Lippenstift trägt, so dass es bei näherer Betrachtung eigentlich sinnlos und blödsinnig erscheint, dass sie sich überhaupt die Mühe macht. Das ist aber auch das einzig Sinnlose, dass diese Frau tut, denn ansonsten ist sie bestimmt – das sind solche Frauen immer – irrsinnig praktisch veranlagt und unglaublich patent.

Die eine Frau redet auf die andere, die ihre Freundin oder Schwester sein könnte, unablässig ein. „Wäsche“ höre ich. „Wäsche hängen“, und weil es mir bemerkenswert surreal erscheint, sich ernsthaft übers Wäschehängen zu unterhalten, schiebe ich mein iPhone wieder in die Tasche und höre hin. Ein paar Meter entfernt jagt der F. inzwischen seine Kitafreundin J. um den Käsestand. Beide johlen.

Immer noch spricht die Frau über ihre Wäsche und ereifert sich in schrillen, langgezogenen Tönen. Die Wäsche sei empfindlich, höre ich, und nehme Schaden, wenn die Fase schief trockne. Vor dem Trocknen, bohrt sie einen knochigen rechten Zeigefinger in die Luft, müsste die Wäsche deswegen stets in Form gezogen werden, und das mache er einfach nicht.

Er – sie spricht, wie ich vernehme von ihrem Mann – hänge die Wäsche immer schief und krumm auf. Schief und krumm, wiederholt sie, und ihre Freundin nickt in einer komischen Mischung aus Zustimmung und Beschwichtigung und schaut sich ein wenig geniert um. Ich sehe möglichst neutral ins Nichts.

Er verderbe ihr die ganze Wäsche, kommt die Frau wieder auf das Thema zurück. Bisweilen hänge er die Wäsche sogar übereinander. Die Kinder und sie hätten in absehbarer Zeit nichts mehr anzuziehen, wenn er nicht endlich dazu überginge, die Wäsche ordentlich zu hängen, oder sie selbst klein beigebe und die Wäsche – und darum ginge es ihm ja – selbst versorge.

Ich schaue an der Frau vorbei den Kaffeesieder an. Der tut so, als würde er nichts bemerken von der Entrüstung vor seiner Kaffeemaschine und schüttet konzentriert ein wenig Milch in einen kleinen Krug. „Einen Cappuccino.“, bestellt die Frau mit Wäscheproblem, und ich verkneife mir jede Regung und suche in meiner Tasche nach den zwei Euro fünfzig für meinen Kaffee.

 

 

2 Gedanken zu „Wäsche hängen

  1. Die Herausforderung mit dem möglichst neutralen Blick ist außerordentlich plastisch dokumentiert. Wobei ja meistens gar keine Gefahr ist, dass man von den Akteuren beim Lauschangriff ertappt wird. Wer so engagiert debattiert, ist ja meistens ganz „bei sich“, quasi.

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