Bingo

Ich bin ja an sich eigentlich ganz friedlich. Ich warte ziemlich lange ruhig vor Schaltern ab, wie die Leute vor mir sich umständlich beraten lassen. Musiker in der U-Bahn hasse ich zwar, aber wenn einer kommt, konzentriere ich mich auf die Werbung an den Fenstern. Sogar mein Zeitungslesen bleibe ich halbwegs ruhig. Nur die Passwörter: aber hören Sie selbst:

Ich sitze also vorm Rechner, und dann heisst es: Ihre Authentifizierung ist leider nicht möglich. Oder auch: Ihr Passwort ist leider nicht bekannt. Da sitze ich dann. Totale Leere im Hirn. Ich hätte geschworen, das Passwort lautete schon immer „Bingo“. Aber auch bei der dritten Eingabe verhöhnt mich das Gerät und behauptet, von „Bingo“ hätte hier keiner je was gehört. Ich probiere ein bisschen herum. „Bingo1977“. „bingo“. „Bingobingo“. Ich bin mir sehr sicher, das Gerät lacht. Oder ist es der Gott des Netzes selbst, der auf einer watteweißen cloud sitzt und hämisch kichert?

Irgendwann kapituliere ich. Aber war das wirklich ich, die diese Sicherheitsfragen eingegeben hat? „Wo haben sich deine Eltern kennengelernt?“ – Ja, was weiß denn ich? War ich dabei? Und wieso geht meine Mutter nie ans Telephon, wenn man sie am dringendsten braucht? Und warum soll die Antwort auf „Wie hieß dein erstes Haustier?“ nun auch falsch sein? ich werde doch noch wissen, wie mein Hund … nein. Gut. Vorbei.

An meine Alternativadresse lasse ich mir einen Link für ein neues Passwort schicken. Ich klicke. „Ihr neues Passwort“ lese ich, schon wieder halbwegs hoffnungsfroh. „Bingo“ gebe ich. „Bingo“ ist aber falsch. Ich muss Zahlen, Sonderzeichen und Groß- wie Kleinbuchstaben eingeben. Ich verzweifele. Wie soll ich mir „Bingo::4711“ jemals merken? Ich notiere „Bingo ::4711“ in meinem Schlüsselbund, der aber auch ein Passwort wissen will. Das steht zum Glück verbotenerweise in meinem Handy. Aus Geheimhaltungsgründen unter „Onkel Schorsch“. Mein gleichnamiger Onkel ist zwar schon seit Jahrzehnten tot, aber das wissen die Leute, die irgendwann mein Handy klauen, ja hoffentlich nicht.

Die nächsten drei Monate ist Ruhe. Dann bin ich zwei Wochen weg. Urlaub, Ende der Welt. Kein Bedarf für „Bingo::4711“, und prächtig gelaunt, strahlend und gebräunt sitze ich wieder vorm Rechner. Da. Schon wieder. Mein Passwort ist nicht bekannt.

„Bingo:4711“ gebe ich drei-, vier-, fünfmal ein. Ich bin mir sicher, dass Passwort ist richtig. Im Schlüsselbund steht es doch auch. Das Internet macht sich lustig über mich. Käme in diesem Moment einer und würde mir eine Authentifizierung per Daumendruck anbieten: Ich schickte den ganzen Datenschutz zur Hölle und sagte einfach ja. Statt dessen: „BinGo&1918“. Sechs Monate später: „BINgo=5689“. „bIn=Go43“. „bin3$GO4“. „b-i/N9GO“

Komisch, dass nicht viel mehr Rechner aus Fenstern fliegen.

 

8 Gedanken zu „Bingo

  1. Es bleibt einem nur übrig, sich seine Passwörter irgendwo aufzuschreiben, ganz altmodisch, wie früher in einem Ordner. Gestern habe ich eine Stunde lang mit Symio hin- und hergemailt, weil ich mein Bingo für mein Smartphone vergessen hatte. Und den Ordner hatte ich leider nicht dabei…

    1. Darüber denke ich auch immer wieder nach, aber ich fürchte, es ist verboten, und wenn mir jemand Adressbüchlein und Rechner klaut, dann bin ich unversichert dran.

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