Bernsteintage, Samstag (1)

Bitte nicht. Es ist doch erst 7:30 Uhr. Und heute ist Samstag. Kleines Monster, geh‘ wieder schlafen. Oder koch‘ mir einen Kaffee. Oder sag‘ dem Papa, dass er mir einen Kaffee kochen soll. Dann stehe ich vielleicht auf und gehe zu Rewe und auf den Markt am Arnswalder Platz. Krautsalat, Feldsalat und tiefgekühlte Brezeln.

Bitte nicht. Sag‘ bitte irgendetwas. Wenn du jetzt nichts sagst, dann schläfst du, und wenn du jetzt schläfst, bist du heute abend bis in die Puppen wach. Das finde ich doof, weil ich heute abend lange aufbleiben und mit der I. und dem S. die Legenden von Andor spielen will, und da musst du schlafen. Wach also auf und iss Nudeln mit mir. Ja, es gibt Nudeln. Direkt vom Markt, ein Pfund Ravioli mit Ziegenkäse und Trüffeln von Pasta e più. Schau, dass ist doch ein guter Grund aufzustehen.

Hab‘ ich’s doch gewusst. Jetzt bist du wach. Lass uns gleich um die Ecke ein Geschenk für deinen Freund L. kaufen. Der wird auch zwei. So wie du. Wir kaufen Knete, und weil wir schon mal da sind, kaufen wir eine Bastelschere und Kinderkleber für dich. Wenn wir zu Hause sind, darfst du lauter bunte Papierfetzen damit in Stücke schneiden, und die klebst du dann auf einen Kerl, den Mama für dich ausschneidet. Der Kerl friert und braucht ein schönes, buntes Fell.

Jetzt aber los. Wir fahren mit der Tram bis zum Mauerpark, und dann läufst du auf deinen kurzen Beinen durch den ganzen Park bis zum Moritzhof, weil sie da Tiere haben. Nein, Mama hat keine schlechte Laune deinetwegen. Die hasst nur diesen räudigsten der Berliner Parks, und alle, die da inmitten von Scherben und Dreck sitzen, grölen und grillen. Der Rasen sieht aus, als habe er eine ansteckende Krankheit, und die Leute wirken so, als müsse man mindestens zehn Semester Soziale Arbeit studiert haben, um ihnen anders als mit gereiztem Unverständnis zu begegnen.

Angekommen wird aber alles gut. Da, schau, die haben Tiere. Und gleich gibt es auch ein Frozen Yogurt. Die Papas stehen in der Sonne und unterhalten sich über das Leben in Büros. Die Mamas sprechen über sonderbare Unistädte. Deine Mama hat übrigens auch in einer besonders merkwürdigen Unistadt studiert, da glauben manche Leute bis heute nicht, dass es da überhaupt eine Uni gibt. Das lag an ihrem miesen Abi, aber darauf ist die Mama – das ist ein bisschen verrückt – sogar ein wenig stolz. Das musst du nicht verstehen.

Am Ende läufst du die ganze, lange Kopenhagener Straße zur Tram. Vor einem Haus bleiben deine Eltern stehen und freuen sich ein bisschen, weil sie da keine Wohnung gekauft haben. Das hatten sie mal diskutiert und sogar mit einem Makler gesprochen. Das ist vier Jahre her. Heute wohnen da immer noch keine Leute, und die Fenster scheinen ganz neu eingesetzt zu sein. Wahrscheinlich dreimal pleite gegangen in der Zwischenzeit. Wie es halt so geht.

Am Ende bist du so, so, so müde und planscht unmotiviert noch ein bisschen in der Badewanne herum. Es gibt eine Brezel, Weintrauben und eine Wurst, etwas Apfelsaft, und als die I. und der S. kommen, darfst du noch kurz guten Abend sagen. Dann gehst du schlafen. In der Küche werden Schlachten auf dem Spielbrett geschlagen, während du schläfst, man trinkt Bier, man isst Brezeln, Käse aus Brodowin, den unfassbar leckeren Leberkäse der Hermannsdorfer Werkstätten und Salat.

Dann wird es dunkel und still.

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