„Aber gar nicht!“, wehrt meine Mutter letzten Mittwoch entrüstet ab. Der F. gehe jeden Abend um acht schlafen, sage immerzu „Guten Tag!“, „bitte“ und „dankeschön“, sei sogar zu den Nachbarn nett und gehe zuverlässig auf die Toilette. Jetzt aber müsse sie das Telefonat beenden. Der F. wolle nämlich unbedingt noch abtrocknen, bevor das Sandmännchen beginnt. Ganz kurz spricht mein Dreijähriger auch noch mit mir. Er habe im Garten Unkraut gezupft und die Vögel gefüttert, wird mir berichtet. Dann ist das Gespräch zuende. Der einwöchige Aufenthalt bei meinen Eltern erweist sich als voller Erfolg.
Mir schwirrt der Kopf. Was hat sie – denke ich angestrengt nach – was ich nicht habe? Warum geht mein Sohn bei meiner Mutter pünktlich ins Bett und turnt nicht bis 22.00 Uhr putzmunter und unaufhörlich plappernd durch alle Räume? Wieso ist er, wie man mir berichtet, bei den Großeltern zuverlässig trocken, räumt allabendlich auf und isst seinen Teller leer, inklusive Blumenkohl und Tomatensalat mit roten Zwiebeln? Versprechen ihm die Großeltern Schokolade? Drohen sie ihm mit einem kinderfressenden Monster? Beide Methoden halte ich in Anbetracht meiner jahrzehntelangen Vertrautheit mit ihrem Instrumentarium der Kindererziehung für eher unwahrscheinlich, aber gutes Zureden allein hilft zuhause doch auch nicht. Oder – dies allerdings würde mich schon sehr bekümmern – allein die natürliche Autorität meiner Mutter reicht aus, die Wunder zu vollbringen, an denen ich zuhause regelmäßige scheitere.
„Raus mit der Sprache!“, fordere ich meine Mutter deswegen am Samstag auf, als ich den F. abhole. Meine Mutter mauert. Oder sie weiß es wirklich nicht, und auch der F. weiß über das Geheimnis des perfekten Kinderschlafs nicht mehr zu berichten, als dass er bei der Oma immer abends so müde gewesen sei. Vielleicht war es der ganztägige Aufenthalt im großmütterlichen Garten. Oder sie hat ihm doch etwas in den Kakao getan.
„Du hast bei der Oma auch immer das Musterkind gegeben.“, kommentiert meine Mutter mein Erstaunen. Es sei quasi so eine Art Naturgesetz: Großmütter lieben Enkel, unbelastet von Alltagsbeschwernissen, eiligen Morgenstunden und verlegten Brotdosen. Enkel revanchieren sich für diesen Sack voll Zuneigung durch Wohlverhalten, beiderseits erleichtert durch den Umstand, dass man sich ja nicht ständig, sondern nur ab und zu sieht. Nützlich sind die guten Tipps der Großmutter deswegen für die Mutter des daheim so schlecht schlafenden, tageweise nur nudelessenden Knaben, der niemals aufräumt, eigentlich nicht. Es sei denn: Für ihr späteres Leben. Als Großmutter nämlich.
Gegen eine gute Oma kommt man nicht an.
Zum Glück braucht man das aber auch gar nicht.
Wohldosiert.
Omas sind toll. Bei Kinderkrankheiten, Kitaschließtagen oder einfach nur so.
Mütter, werte Frau Modeste, Mütter sind Inventar. Selbstverständlich immer verfügbares Inventar, also insofern keine Rarität, sondern sozusagen die Basis. Großeltern hingegen hätten – theoretisch zumindest – die Möglichkeit, sich völlig zurückzuziehen. Die müssen nichts mehr, Eltern hingegen schon (zumindest, wenn sie ihre Verantwortung wahrnehmen), und genau das spüren Kinder eben.
Sogar in den übelsten Phasen war meine Tochter in anderen Häusern wie ein Engerl, und oft hörte ich von den Gasteltern, was ich doch für ein wohlerzogenes und freundliches Kind hätte. Die Frage, ob sie sicher seien, dass keine Verwechslung vorliege, habe ich mir dann jedes Mal wohlweislich verkniffen.
Das beruhigt mich. Also kein Einzelfall.
K1 (fast 4) ist auch grad bei der (Schwieger)Oma für ne Woche. Offenbar bekommt sie dort nie einen ihrer berühmten Nervenzusammenbrüche/Heulanfälle. Entweder die erlauben ihr alles, oder wie ich sie kenne, sie benimmt sich perfekt angepasst. Kinder können das. Das sie zu Hause nicht so ist, werte ich als gutes Zeichen. Bei uns hat sie das Vertrauen sich so richtig gehen zu lassen und sie weiß, sie kann sich benehmen, wie sie will, ich bin ihr nicht wirklich böse. Zu Hause kann sie sein, wie sie ist und auch mal durchdrehen.
Nur eines verstehe ich nicht. Bei meinen Eltern isst dieses Kind immer alles und immer riesige Portionen. Auch wenn mein Vater bei uns ist und neben ihr sitzt. Ich schaff das nie, dass sie ne richtige Portion isst. Keine Ahnung, wie der das macht. Magischer Einfluss vielleicht… Oder eben 30 Jahre mehr Erfahrung im ‚Kinder dazu bringen anständig zu Essen‘. Er hat ja bei mir genug üben können.
Ich glaube, ich koche zu aromenreich. Der F. isst am liebsten Kartoffeln, Nudeln oder Reis mit Wurst oder Fleisch, aber auf keinen Fall zu komplex. Bei meinen Eltern bekommt er das, die kochen notfalls für ihn extra.
same here (von der „stief-omaseite“ aus berichtet): der enkel (4) meines mannes ist bei uns gut zu haben, geht von allein (!) ins bett und bekommt keine tobsuchtsanfälle. die mutter kann es kaum fassen.
allerdings steht auch hier jede menge auslauf zur verfügung, wir fahren mit dem kleinen rad und mein mann hat ihn im prinzip nonstop bei fast allem dabei. abends ist der kleine schlagkaputt und schläft regelmäßig bereits auf der rückfahrt zur mutter. es muss wohl an der guten landluft liegen …
Ich kann alle Beobachtungen bestätigen. Das klappt bei Ihnen noch. Kombiniert mit in der Nähe, aber nicht zu nahe, wohnenden Eltern einfach perfekt, und es hat den Eltern unseres Kindes mit schöner Regelmäßigkeit einen freien Wochenendtag verschafft.
Nähert sich das Kind der Pubertät und die Eltern überschreiten die 70 deutlich, ändert sich das aber. Neulich in den Osterferien war Frau Mama durchaus dankbar, dass Mademoiselle nach vier Tagen wieder abgeholt wurde. Da war jemand ziemlich fertig.