Miese Lobby

Warum, frage ich mich und schaue den beiden Kindern hinterher, die freudig um drei dicke Ziegen herumtanzen: Warum schließen die Berliner Kitas eigentlich einfach so. Warum muss ich, deren Kernkompetenzen ganz eindeutig mehr im Verwaltungsrecht als in der Kinderbetreuung liegen, eigentlich an diesem ganzen verdammten Freitag hinter dem F. herrennen, und meine Freundin I., die gerade einen ziemlich wichtigen Rahmenvertrag verhandelt und den ganzen Tag mailt und telefoniert, gleich mit? Wieso meinen die Verantwortlichen für städtische Berliner Kitas, dass es zumutbar sei, für rund drei Wochen im Jahr einfach so zu schließen? Weil irgendwo jemand sitzt, der glaubt, mindestens ein Elternteil pro Familie sei im Grunde nur so halbernst berufstätig? Oder reichen die finanziellen Mittel nicht für eine Abdeckung rund ums Jahr, weil Berlin sich aus schierem Populismus für drei beitragsfreie Kitajahre entschieden hat, statt für gebührenpflichtige, aber dafür ganzjährig verfügbare Kitas?

Wieso, frage ich mich weiter, regt das eigentlich in den ansonsten so empörungswilligen Kreisen der feministischen Blogs niemanden auf? Ich lese da selten, weil ich die meisten Probleme, um die es da geht, für eher skurril als relevant halte. Wenn man wirklich und ernsthaft arbeiten geht, ist die beständige Verfügbarkeit von Kinderbetreuung nämlich um Einiges wichtiger als die Frage, ob gesetzliche Krankenkassen Hausgeburten bezahlen oder die offenbar unerschöpfliche Frage, wie man Leute bezeichnen soll, die sich weder für männlich noch für weiblich halten.

„Würdest du mehr für die Kita ausgeben, wenn sie immer offen wäre?“, frage ich die I., die emphatisch nickt. Na klar, hebt sie zu längeren Gegenrechnungen von Kitagebühren, Mehreinnahmen und Babysitter an, als ihr Telefon erneut klingelt.

Im Grunde, überlege ich mir am Rande der Sandkiste, fehlt der I. und mir und all den anderen Eltern wie uns eine ordentliche Lobby. Ein Verband oder eine Partei, die sich für Kinderbetreuung nicht nur unter dem Aspekt gesteigerter Chancengerechtigkeit interessiert, sondern schlicht für eine Serviceleistung für Kinder und Eltern. Für eine volle Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Für eine Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten einer Anhebung der Kinderfreibeträge auf dasselbe Maß wie bei Erwachsenen. Eine Partei, die das Leben mit Kindern nicht in erster Linie als eine Angelegenheit der Sozialpolitik betrachtet, sondern die Frage stellt, wie man praktische Schwierigkeiten wie Kitaschließzeiten, überlange Schulferien, Stundenausfälle und so weiter, ideologiefrei aus dem Weg räumt.

Wahrscheinlich müsste man das selber machen. Aber in der Zeit, die man dafür bräuchte, sitzt man ja auf dem Spielplatz herum.

 

6 Gedanken zu „Miese Lobby

  1. Nun, wer schreibt denn aktuell diese netzfeministischen Blogs? Im Regelfall kinderlose Frauen unter 30, die ihr (Gender)studium noch nicht abgeschlossen haben oder/ und sich aus anderen Gründen in prekären Lebensverhältnissen befinden. Aus deren Sicht leben Sie Frau Modeste doch schon im Privilegenhimmel und dürfen vielleicht mal selbstkritisch dieselben reflektieren aber doch jetzt nicht noch mit Forderungen nach höheren KiTa Gebühren kommen.

    1. Mich stört gar nicht, dass die Autorinnen dieser Blogs ihre Anliegen propagieren. Das steht schließlich jedem zu. Mich nervt nur, dass meine Anliegen – obwohl vermutlich deutlich mehr Menschen betroffen sein dürften – keinen Widerhall in Parteien oder Verbänden finden. Da hängt doch etwas schief.

  2. Das hat nicht mal was mit kostenfreier Kita zu tun. Wir zahlen in SH über 400 Eur (Krippe), haben 3 Wochen Sommerschließung und „dürfen“ diese Zeit sogar noch mit bezahlen. Leider fehlen die Alternativen, also muss man das schlucken…

    1. Dabei sind das alles Probleme, die bewältigbar erscheinen. Mehr Anreize, den Erzieherberuf zu ergreifen. Mehr verbindliche Vorgaben für Kitas, was Betreuungszeiten und Inhalte angeht. Das kann eigentlich nicht so schwer sein. Wenn es trotzdem nicht umgesetzt wird, fehlt der politische Wille.

    1. Was wollen Sie mir damit sagen? Die Probleme, mein Kind betreuen zu lassen, seien lächerlich, weil ein ernstzunehmender Mensch gar keine Kinder hat? Das meinen Sie doch nicht ernst.

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