Als es klingelt stehe ich noch unter der Dusche. Ich hatte den Besuch um 11:30 Uhr erwartet, obwohl ich die befreundete Familie um 10:30 Uhr eingeladen habe. Unsere Söhne sind befreundet, auch wir haben uns angefreundet, aber wir sind noch nicht so eng wie mit unseren anderen Freunden, die seit Jahrzehnten bei uns ein- und ausgehen. Terminkonfusionen sind also noch ein bisschen peinlich.
Ich befülle also etwas hastig Platten mit Käse und Wurst, schneide Brot, der J. füllt Sektgläser und kocht Kaffee und außerdem backe ich Waffeln. Im Wohnzimmer demonstriert Sohn F. seinem Freund seinen Roboter. Der ältere Sohn des Besuchs liegt auf dem Sofa und liest Comics.
Wir essen zu viel und trinken ein bisschen Sekt, die Stunden schwappen hin- und her. Wir sind uns sympathisch, aber noch nicht über den Punkt hinweg, an dem man weitere Selbstdarstellungen nicht mehr nötig hat. Wir zeigen uns also allseitig als Party Animals a. D., als Kinder aus durchweg westdeutsch gutem Hause mit vernünftiger Schulbildung, geistreich und gut im Geschäft mit exakt dem Maß an liebenswürdigen Schwächen, das man aufweisen sollte, damit Leute einen nicht für arrogant halten. Unsere Kinder berechtigen zu den schönsten Hoffnungen. Ob die – wirklich nette – andere Familie das eigentlich auch anstrengend findet? Wann fing das eigentlich an, dass man Jahre braucht, um sich anzufreunden?
Nachmittags geht der J. mit Sohn F. und einem neuen Schulfreund ins Kino. Der neue Freund wohnt im Nachbarhaus, das sich mit unserem den Hinterhof teilt. Sohn F. sieht in Ermangelung eines solchen Geräts kaum fern, deswegen sind Filme für ihn immer sensationell. Entsprechend euphorisch kehrt er wieder.
Kurze Zeit später taucht der Vater des neuen Freundes mit dem jüngsten Sohn im Babyalter und Kuchen bei uns auf. Die Kinder lärmen im Wohnzimmer, wir essen viel zu viel Zucker, tauschen mit dem noch neueren, reizenden Bekannten Eckdaten aus (Schwabe! Irgendwas mit Medien!), trinken zu viel Kaffee, um früh schlafen zu gehen, und erst gegen Abend sind wir zum ersten Mal am heutigen Tage allein zu dritt zu Haus, essen Suppe und sitzen schließlich auf dem Sofa und ich lese vor. Kalle Blomquist, Kapitel elf.
Dieser Eintrag trifft gerade meine verwundete, egomane, narzisstische Seele 🙂 Die Adjektiva stammen von einer Frau, mit der ich über twoday und facebook jahrelang Kommentare getauscht hatte. Ich bot ihr sogar diesen Sommer an, sie persönlich in Hamburg zu treffen, was sie aus terminlichen Gründen damals nicht wahr nehmen konnte.
Mittlerweile bin in das Böse an sich, was sie auch ihren Freundinnen auf facebook mitteilt. Gleichzeitig bin ich noch bei anderen angeeckt, darunter einem – glaube ich – Wiener, der sich bemüßigt gefühlt hat, meine Misogynie zu diagnostizieren.
Ich werde an eine altdeutsche Redewendung erinnert, die ich als Kind nicht verstanden hatte: „viel Feind, viel Ehr“. Ich verstehe sie heute noch nicht.
Ich bin allerdings immer wieder erstaunt, dass Menschen über andere urteilen, ohne sie zu kennen oder wenigstens etwas von dem zu lesen, was de andere geschrieben hat.#
Da ich persönlich immer getrachtet habe, Personen, die ich vom Internet kannte, auch persönlich kennen zu lernen, kenne ich auch in etwas 80% der Personen von twoday oder von facebook auch persönlich.
Das gesagt habend möchte ich meine Antwort auf die Frage geben, warum es so viel schwerer ist, Freunde im Alter zu finden.
Einerseits denke ich, dass es nicht schwerer ist. Es gibt „beste Freunde“ (3-4), die ich erst als Freunde gefunden habe, als ich über 50 war.
Andererseits stelle ich fest, dass meine Offenheit, im Netz zu befreunden, sehr stark abgenommen hat. Ich dachte, dass man aus dem Geschriebenen von Personen auch gut auf die Person in der Gesamtheit schließen kann. Ich stelle fest, dass das eine große Fehleinschätzung meinerseits war.
Ich war kein geselliger Typ als Kind. Aber drei sehr gute Freunde hatte ich. Mit dem einen bin ich heute noch sehr befreundet und habe regelmäßigen Kontakt. Mit einem zweiten verstehe ich mich noch halbwegs, obwohl unsere Wege sehr unterschiedlich verlaufen sind. Den „Toni“ aus der Volksschule habe ich aus den Augen verloren.
Als Student hatte ich weniger Kontaktschwierigkeiten.
Und mit den Freundinnen in meinem Leben habe ich heute noch Kontakt bis auf meine erste Wiener Freundin, die vor einigen Jahren verstorben ist.
Wie ich Ihrem Essay entnehmen kann, ist es nicht unmöglich, neue Freunde zu finden. Aber vielleicht, und ich beziehe mich jetzt nur auf mich, ist man vorsichtiger geworden, zu viel von sich preis zu geben. Alles, was man von sich gibt, füttert die Meinung, dass man zu egoman und zu narzisstisch ist 🙂
Passt doch, oder?
Dieser Eintrag bringt mir alte Erinnerungen zurück. Ich hab noch den Kontakt zu ein paar Freunden von der Kindheit und ich glaube, es ist etwas, was nicht so viele Menschen haben können, deswegen versuche ich ja diese Kontakte zu pflegen.