Im Blumenladen bin ich die einzige Kundin. Es ist morgens um kurz vor zehn, die vietnamesische Floristin hält Blüten neben Blüten, zieht Blätter aus großen Vasen und plaudert ein bisschen über ihre beiden Kinder. Wir sind gleich alt, haben wir gerade festgestellt, aber ihre Älteste ist 22 und mein Sohn erst sechs. In Vietnam heiraten die Leute zu früh, sagt sie, und dass es ihr nie leid getan hat, ihre Kinder allein erzogen zu haben. Ihre Töchter studieren beide und sollen nicht so früh heiraten. Oder gar nicht.
Mit einem Blumenstrauß ist blau und weiß und stehe ich vor der Tür der J.2, um mit ihr Tee zu trinken und meinen Sohn abzuholen. Sie hat ihren Vater verloren vor ein paar Tagen, und wir sitzen am Küchentisch und sie spricht über ihre Eltern. Ganz am Ende im Heim seien sie etwas glücklicher gewesen, sagt sie, und ich frage mich, wie viele Frauen am Morgen ihrer Goldenen Hochzeit eigentlich noch einmal ihren Mann geheiratet hätten.
Die J.2 und ihre Kinder treffe ich den ganzen Tag wieder und wieder. Wir wohnen nämlich in einer Art Großstadtdorf, wir treffen immer Leute, sobald wir das Haus verlassen. Frühere Kollegen von dem J. oder mir, Schulfreunde, Studienfreunde, Eltern aus Kita oder Schule oder einfach Bekannte. Am meisten Leute trifft Sohn F., denn der kennt alle ungefähr 220 anderen Kinder der Schule und begrüßt alle paar Meter Kameraden.
Im Park stößt der F. wieder auf den Sohn der J.2, und mit ihm und einer Nachbarstochter ziehen wir weiter durch den Volkspark. Die Kinder laufen weiter, sind nicht mehr auszumachen, kehren zurück, streiten sich, vertragen sich wieder, und nachdem wir den M. und die M. mit ihren Kindern getroffen und über die Taufe bei gemeinsamen Freunden gesprochen haben, die nächsten Sonntag ansteht, gehen wir zu zweit mit der Nachbarstochter heim.
Bei uns sieht es schlimm aus. Der F. und ich haben mittags getuscht, alles liegt voller halbherziger Bilder, Malerlappen und Pinsel. Die Kinder verschwinden im Zimmer des F., ich koche Rindsgeschnetzeltes mit Steinpilzen und Reis, und als wir fertig sind, dusche ich den F., bringe ihn ins Bett und lese ihm die letzten Seiten seines Wikingerbuches vor, bis er auf meinem Arm schwer wird und einschläft.
Ich glaube nicht an Walhalla, flüstert er mir noch zu. Dann ist er weg.