„Wahrscheinlich hat sie ihm jeden Tag gesagt, dass sie bald heiraten will.“, spekulierte der J. über die genaue Ursache des Endes der letzten Beziehung meiner lieben Freundin B.³. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“, erklärte ich trotz durchaus bestehender leiser Zweifel, aber was auch immer emotionale Überforderung aus dem Munde eines Mannes bedeuten mag, die B.³ jedenfalls sucht seit Monaten vergeblich nach einem netten Herrn, der ihr die Freizeit versüßt, und ist, nicht als erste meiner Freundinnen, dabei auf eine jener Plattformen verfallen, die in den nahezu endlosen Weiten des Internets paarungswilligen Personen die Kontaktaufnahme erleichtern oder gar erst ermöglichen sollen.
„Wie läuft denn die Privataquise?“, frug ich die B.³ also im Zuge eines längeren Telephongesprächs und erfuhr folgende Geschichte:
Per Mail und schließlich per Telephon zeigte sich ein 36 Jahre alter Ingenieur als eloquent, nicht uninteressant, einigermaßen zugetan den schönen Künsten, und so fiel kaum mehr ins Gewicht, dass jener irgendwann im Verlaufe der wochenlangen Kommunikation zugab, bereits einmal verheiratet gewesen zu sein und einen vierjährigen Sohn zu haben. Man mailte ein wenig herum, man schrieb sich reizende SMS, und am Donnerstag begab sich die B.³ also zum vereinbarten Treffpunkt, einem Café. Außer ihr saßen in dem Café ein älteres Ehepaar und eine junge Frau, und als die Tür des Cafés sich einige Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt öffnete, konnte es sich bei dem Neuankömmling eigentlich nur um den Herrn aus dem Internet handeln. Dem ausgetauschten Bild sah der hagere, ungefähr 1,70 Meter große Mann zwar eher vage ähnlich, aber die B.³ erhob sich, ging ein paar Schritte auf den Herrn zu, um ihn zu begrüßen, und sprach einige Worte, denen ungefähr zu entnehmen war, sie sei die B.³, und freue sich, ihn kennenzulernen. Irritiert sah der Mann die B.³ an.
„Sind wir hier nicht verabredet?“, fragte die B.³, nun selber ein wenig erstaunt, und nannte noch einmal klar und deutlich ihren Namen. „Ich glaube nicht.“, brachte der Mann heraus und verließ das Café wieder.
„Aber der wusste doch vom Photo, wie du ausschaust!“, wies ich die Vermutung der B.³, der Fremde sei aus Enttäuschung über ihr – im Übrigen nicht unansprechendes – Äußeres wieder gegangen. „Vielleicht war er`s gar nicht.“, spekuliere ich selber ein wenig herum. „Hast du ihn mal angerufen?“, – Sie hatte. Der Herr aus dem Internet sei jedoch seit Donnerstag nicht erreichbar gewesen, und eine E-Mail der B.³ harre noch der Beantwortung, die sie jedoch nicht mehr erwarte.
„Das macht doch alles keinen Sinn.“, zerbrach ich mir den Kopf weiter über mögliche Ursachen des merkwürdigen Verhaltens des unbekannten Mannes aus dem Café. „Vielleicht hat er mich angelogen, ist gar nicht geschieden, und dann hat ihn der Mut verlassen, mir face to face weiter einen Bären aufzubinden?“, wirft die B.³ einen Vorschlag in die Runde. „Wer sowas wochenlang per Telephon und Mail durchhält, dürfte live da auch keine Probleme haben.“, erkläre ich die Überlegung für unwahrscheinlich. „Oder der macht das zum Spaß.“, meint die B.³, indes dürfte sich das Vergnügen, fremde Frauen nach wochenlanger Kommunikation in Cafés zu bestellen, schon eher in Grenzen halten.
„Was hältst du von der Geschichte?“, frage ich eine andere Freundin eine halbe Stunde später. „Im Internet sind doch nur Verrückte unterwegs.“, kommt es prompt aus dem Hörer.
„Leuchtet mir auch nicht richtig ein.“, sage ich und zerbreche mir weiter den Kopf über die Lösung des Rätsels.