„Hast du jemals daran gedacht, deine Flüge selbst zu buchen?“, fragt der T. und öffnet eine Menge Fenster des Browsers gleichzeitig und wirft prüfende Blicke auf Abflugzeiten und Preise. „Reicht doch, wenn du das kannst!“, sage ich, bestreiche dicke Scheiben Bauernbrot mit sehr viel gesalzener Butter, Roastbeef und raspele Kren in großen Spänen drüber. „Ich weiß nicht, wie du das um diese Uhrzeit essen kannst.“, schüttelt es den T., der ein eigens für ihn angeschafftes Croissant aus der Backstube des Sowohlalsauch verzehrt, und nach eingehender, ziemlich kompliziert wirkender Suche einen Flug von München nach Hamburg vorschlägt, der € 73,– kosten soll und achtzig Minuten dauert. „Hört sich gut an.“, sage ich, und krame in den Papierbergen auf dem Schreibtisch nach meiner Kreditkarte.
„Ich hoffe, du bekommst das alleine hin, das richtige Gate zu finden, und rechtzeitig da zu sein.“, sorgt sich der T., dessen Bild meiner Person deutlich unselbständiger zu sein scheint, als es der Realität entspricht. Zwischen zwei großen Stücken Mondseer Käse zähle ich dem T. alle unbegleiteten Flüge meines Lebens vor, weise auf eine eindrucksvolle Karriere als unaccompanied minor hin, zähle alle beruflich bedingten Flüge großzügig mit, und komme so insgesamt auf zwölf Flüge ohne hilfreichen Begleiter zu meiner Seite. Verpasst, so fahre ich fort, habe ich in all den Jahren einen einzigen Flug im Januar 2004 von Berlin nach Wien, bei dem eine allzu flüchtige Durchsicht der Reiseunterlagen eine Verwechslung von Abflug- und Ankunftsdatum hervorgerufen hat. Bezeichnenderweise war ich bei diesem Flug noch nicht einmal allein.
Ich sei, erinnert der T., aber bei so gut wie allen unbegleiteten Reisen zumindest hingebracht oder abgeholt worden und meistens sowohl bis zum Gate geführt, und unmittelbar nach der Gepäckausgabe wieder eingesammelt worden. Dass meine persönliche Fähigkeit zur Orientierung in unbekannten Gefilden nicht allzu gut entwickelt sei, sei doch schon allein der Tatsache anzusehen, dass ich noch nie allein in Urlaub gefahren sei, noch nicht einmal für zwei oder drei Tage. „Völlig anderes Thema.“, zische ich den T. an, und führe aus, dass seit Erreichen des elternlos reisefähigen Alters bis zur Trennung vom geschätzten ehemaligen Gefährten stets ein sozusagen natürlicher Reisebegleiter zur Verfügung stand. Überdies könne eine Reise mit dem J. als eigentlich unbegleitet gezählt werden, denn die Orientierungslosigkeit jenes Herrn ist in weiten Kreisen der Hauptstadt geradezu legendär.
„Wofür hältst du mich eigentlich?“, frage ich daher den T., und rufe auf einer der vielen Homepages, die gerade offen sind, verschiedene Flugangebote auf. Startort: Berlin. Zielort: Moskau. „Du spinnst doch.“, sagt der T. und erinnert überdies an eine zeitgleiche Kurzreise mit der C. und der J. nach Ungarn. „Ach ja.“, sage ich, und klicke weiter. Mit der Deutschen BA nach Tiflis? Da wollte ich schon immer mal hin. Für den Anfang meiner Alleinreiselaufbahn ganz gesittet nach Paris oder London? Mit airberlin nach Catania? „Du kannst als Frau nicht allein nach Italien fahren.“, diktiert mir der T. „Bin ich blond?“, gebe ich zurück und erinnere daran, überhaupt bereits jetzt ein Alter erreicht zu haben, in dem ich sogar für unser aller Außenminister schon völlig außer Konkurrenz laufe. „Da wirst du wenig Freude haben.“, behauptet der T., und erzählt eine lange Geschichte von seiner Freundin G., die allein in Rom eine Art Martyrium der schmierigen Kontaktaufnahmeversuche durchlebt habe. „Pah!“, sage ich, denke mir meinen Teil über die G., und klicke „Jetzt buchen“: Berlin – Venedig und zurück. Eine Erwachsene. Im November. – „Na dann viel Spaß.“, sagt der T., und verabschiedet sich nach weiteren drastischen Prophezeiungen meines Abhandenkommens in und an der Adria.
Wir werden sehen