Gleich dem majestätischen Walrosse ziehe ich gelegentlich, angetan mit einem riesigen schwarzen Badeanzug, dem Tschador unter den Badebekleidungen, meine Bahnen im verhältnismäßig kinderfreien Stadtbad Mitte, und von Zeit zu Zeit nach besonders mächtigen kulinarischen Ausschweifungen halte ich die Jogger an der Schmeling-Halle auf. Wenn es aber Sommer wird und die Kleidchen und Oberteile in den Geschäften locken, wenn man erst gestern verbindlich Flüge gebucht hat, um mit der dünnsten unter den Freundinnen in Urlaub zu fahren, dann müssen effizientere Maßnahmen her, dann führt kein Weg vorbei an jenen Etablissements, in denen magere Foltermägde, ganz aus Muskeln gemacht, in täglichen Kursen den Weg vom Pudding zum Stahl begleiten: Ich brauche ein Fitness-Studio.
Wie wohl jeder Mensch, der nicht jenseits der körperlichen Eitelkeit ein über die irdischen Dinge erhabenes Leben führt, verfüge auch ich über eine dunkle Vergangenheit in Bezug auf diese Einrichtungen, die sich in meinem Leben nach jeweils ungefähr zwei Monaten des gequälten Enthusiasmus in stein- und metallgewordenes schlechtes Gewissen verwandelt haben. „Ich müsste auch mal wieder…“ oder „Am Wochenende bestimmt“, das sind so die Formeln, die mir von meinem letzten Versuch noch in den Ohren hallen. Täglich an der Vanitas meiner Bauchdecke vorbeizufahren, hat allerdings auch keine über gute Vorsätze hinausreichende Ergebnisse gezeitigt.
Aber jetzt wird alles anders.
Eine Sauna wäre schön, aber gemischte Saunen besuche ich schon aus Prinzip nicht. Ein Schwimmbad wäre nett, allerdings befindet sich das einzig mir bekannte Fitness-Studio mit Bad nicht gerade wohnortnah, und vielleicht besteht doch der Hauch einer Möglichkeit, ach nur die Chance, über die holperigen Pflaster meiner Bequemlichkeit eher des fettfreien Paradieses teilhaftig zu werden, wenn das Studio irgendwo in der Nähe liegt. Fitness-Studios mit allzu gutaussehenden oder schlanken Menschen verbieten sich aus Gründen der Frustrationsvermeidung, da traue ich mich nach einigen spektakulären Misserfolgen nicht mehr hin.
Mit dem Hintrauen ist es sowieso so eine Sache. Ähnlich jenen Menschen, die aufräumen, bevor die Putzfrau kommt, meldet sich auch bei mir das Bedürfnis, vor Beginn eines Kurses erst einmal ein wenig Konditionsverbesserung zu betreiben. Vielleicht ein bißchen zu laufen oder daheim vorzutrainieren, um sich nicht völlig zum Deppen zu machen zwischen den gestählten und gestärkten anderen Kursteilnehmern, um statt eines straffen und fettfreien Körpers bloß ein paar mitleidige Blicke zu ernten oder beim Fit-Bo erschöpfungsbedingt zusammenzubrechen.
„Geh´ doch zu Kieser, wenn dich dünne Leute nervös machen.“, rät C., aber das kommt natürlich gar nicht in Frage. „Leider hast du einen riesengroßen Knall“, wischt O. meine Bedenken bezüglich der sportlichen Leute im Holmes Place vom Tisch. Die FitCo in der Schönhauser verbietet sich schon wegen der Massen an Studenten, die schon altersbedingt ganz andere Körper aufzubieten haben als ich.
Verdammt, denke ich da. Nicht nur hat der Schöpfer vor den Lohn den Schweiß gesetzt, nein, nicht einmal der Weg zur entspannten Koexistenz mit dem eigenen Fleisch ist eine diesbezüglich unproblematisch Zone. Wieso, sinniere ich, gibt es eigentlich keine schummerigen, warm ausgeleuchteten Fitnesstudios, in denen ausschließlich stark Kurzsichtige trainieren, die zum Training alle ihre Brillen absetzen und Kotaktlinsen rausreißen müssen? Und: Bin ich eigentlich die einzige mit diesem Problem?