„Hallo? Modeste?“, auf der Schwedter Straße zwischen Bar und Bett steht ein mir vage bekannt anmutender Mann und appelliert an mein Erinnerungsvermögen an eine Party bei irgendwem in Kreuzberg. Ich bin sehr selten in Kreuzberg, die Party muss schon ein bißchen her sein, und die Gastgeberin hat Berlin, wenn ich mich recht entsinne, auch nicht erst gestern verlassen.
„Ich muss los.“, erinnert mich die berufstätige J., und so stürmen wir weiter zu ihrem Wagen, da die J. aus unerklärlichen Gründen in abseitigen Sphären wohnt, in die man nur mithilfe eines Kraftfahrzeugs gelangt. Beim Plaudern vorm Wagen holt uns der gemächlich dahinschlendernde Mann ein. Eigentlich sieht er nett aus, ein bißchen wuschelig, rundlich und dunkel, und so nehme ich seine Karte, und schreibe ihm meine E-Mailadresse auf einen Fetzen Papier. „Vielleicht klappt´s ja noch mit den Bildern.“, verabschiedet sich der Mann und hinterlässt in meinem Gehirn eine gelinde Ratlosigkeit, was für Bilder er meint. Photograph ist er laut Kärtchen, aber Photograph ist meiner Erfahrung nach ja jeder, der nicht malen kann, und dessen Romane keiner druckt.
Am Morgen hat er schon geschrieben, sogar ziemlich ausführlich. Es geht also um eine Photoserie, und ich bin ein bißchen enttäuscht. Ich würde ja lieber gefüttert als abphotographiert, denke ich mir, aber als eine vereinsamte Großstadtexistenz, die am Sonntagmorgen sowieso noch nichts vorhat, schreibe ich ihm eine ganz kurze Mail zurück und erkundige mich, worum es eigentlich geht.
Die Antwort kommt postwendend. Der gute Mann photographiert Füße. In Schuhen oder ohne, mit Strümpfen aller Arten und Beschaffenheit, ohne alles oder mit ein bißchen von diesem silbrigen Fußschmuck, mit denen manche Personen versuchen, schmale Fesseln zu betonen, weil da ja sonst keiner hinschaut, so tief unten.
Ich bin noch ein bißchen enttäuschter. Weder gefüttert noch in den meine Erscheinung in ihren wesentlichen Teilen ausmachenden Partien gewürdigt zu werden, ist dann doch ein bißchen mehr, als schön zu lesen ist am Morgen um kurz nach neun.
Eine halbe Stunde später habe ich mich wieder beruhigt. Photographiert der Mann nur Füße, so stellt es kein negatives Werturteil über meinen restlichen Körper dar, wenn dieser nicht abgebildet wird, denke ich mir, und schreibe eine ziemlich freundliche Absage.
Eine weitere halbe Stunde später hefte ich die ganze Geschichte schon unter „Kuriosa“ ab, und erzähle dem T. und dem Besuch über einer heißen Schokolade von dem Kerl und seinen Füßen. Die beiden Herren schäumen über. Eine Frechheit von dem Photographen und eine Instinktlosigkeit von mir, dergleichen Ansinnen überhaupt zu beantworten und nicht gleich zu erkennen, dass regelmäßig nur geschmacklose und unsittliche Absichten hinter einer solchen Anfrage stünden. Überhaupt seien in dieser Stadt zu viele Irre unterwegs, um sich gefahrlos ansprechen zu lassen.
„Sprecht ihr keine Frauen auf Parties an?“, frage ich die beiden Herren, wohl wissend, dass eine ehrliche Antwort nur bejahend ausfallen könnte. Oder in Clubs. Oder in Bars, in Cafés sowieso und vielleicht sogar beim Bäcker oder auf dem Markt, wenn sich die Gelegenheit bietet. Die beiden Herren schauen sich an. T. klopft mit den Knöcheln ein wenig auf dem Tisch herum, und der Besuch räuspert sich vernehmlich.
„Tja, das ist ja nicht so, dass ich mich da voll mit identifiziere,“, der Besuch nimmt einen langen verbalen Anlauf. „aber kennst du Paare, die sich in einer Bar kennengelernt haben? Das ist doch alles bloß Quatsch. “, ich schaue ihn stirnrunzelnd an. „Man will ja nichts ausschließen,“, setzt T. nach, „aber….“. Beide nicken.
„Als Frau wäre ich mir zu schade für solche Spielchen.“, der Besuch kratzt den letzten Bodensatz an Schokolade aus der Tasse und lutscht den Löffel genüsslich ab. „Ihr habt sie doch nicht alle.“, ich schaue leicht verständnislos beide Herren an. „Ist halt so.“, der Besuch zieht die Schultern in einer pseudoresignierten Geste hoch, und der T. langt nach der Marmelade.